Sleep With Your Eyes Open

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Menschen, fern ihrer Heimat, Arbeitsmigranten und Reisende sind die Figuren, um die Nele Wohlatz mäandernder Spielfilm „Sleep With Your Eyes Open“ kreist. Größtenteils in der brasilianischen Küstenstadt Recife gedreht, in gesichtslosen Gebäuden, die angesichts der Vielsprachigkeit der Figuren überall auf der Welt stehen könnten, entstehen Vignetten der Einsamkeit.

Dormir De Olhos Abertos
Brasilien, Argentinien, Taiwan, Deutschland 2024
Regie: Nele Wohlatz
Buch Nele Wohlatz & Pío Longo
Darsteller: Chen Xiao Xin, Wang Shin-Hong, Liao Kai Ro, Nahuel Perez Biscayart, Lu Yanh Zhong

Länge: 97 Minuten
Verleih: Grandfilm
Kinostart: 13. Juni 2024

FILMKRITIK:

Auf einem taiwanesischen Flughafen wartet Kai (Liao Kai Ro), auf ihre Begleitung, die nicht kommen wird. So nimmt sie allein den Flug in die Fremde, nach Brasilien, ans Meer, aber nicht nach Rio, sondern Recife, ein gesichtsloser, austauschbarer Ort. Allein streift Kai durch die Stadt, trifft am Strand den multilingualen Portugiesen Leo (Nahuel Perez Biscayart) und in einem Geschäft den Chinesen Fu Ang (Wang Shin-hong). Der verkauft ausgerechnet Regenschirme, was angesichts des sonnigen Wetters nicht unbedingt wie eine gute Entscheidung wirkt.

Fu Ang teilt sich mit anderen migrantischen Arbeitern ein winziges Zimmer, die Abende werden plaudernd verbracht, das Geld muss gespart werden, um nach Hause geschickt zu werden. Xiao Xin (Chen Xiao Xin) ist aus dem benachbarten Argentinien nach Brasilien gekommen und lebt in einem luxuriösen Apartment, das ihrer Tante gehört. Meist träumt sie vor sich hin und notiert ihre Gedanken auf Postkarten, auf denen die nicht wirklich sehenswerten Touristenattraktionen Recifes abgebildet sind, Postkarten, die irgendwann Kai in die Hände bekommt. Eine Art unsichtbares Band zwischen den beiden Frauen entsteht, so wie auch zwischen den anderen Figuren, die sich zum Teil begegnen, zum Teil auch nur lose in der selben Welt existieren.

Mäandernd erzählt Nele Wohlatz in ihrem zweiten Spielfilm „Sleep With Your Eyes Open“ von Menschen, die fern ihrer Heimat leben und arbeiten und nach einem Ort suchen, an dem sie zu Hause sind. Vielsprachig ist diese Welt, es wird Portugiesisch und Spanisch gesprochen, Chinesisch und Englisch, sogar ein paar Brocken Deutsch. Ein globaler Film also, der die globale Welt spiegelt, in der wir leben, in der die Städte zunehmend austauschbar werden, in der Migrationsströme in alle möglichen Richtungen fließen, in der das Gefühl von Heimat oft verloren geht.

Auch Nele Wohlatz ist so eine globale Nomadin, stammt aus Niedersachsen, studierte in Karlsruhe und Buenos Aires, wo sie auch lange lebte. Auf den ersten Blick mag es da nahe gelegen haben, einen Film in Brasilien zu realisieren, auf den zweiten mag man sich jedoch fragen, warum eine deutsche Regisseurin mit hauptsächlich chinesischen Darstellern einen Film in Brasilien dreht: Ist das schon kulturelle Aneignung oder doch Ausdruck eines internationalen, globalen Bewusstseins?

Besonders komplex mutet der Blick auf die chinesische Diaspora in Recife jedenfalls nicht an, vielleicht ist die Oberflächlichkeit der Figuren aber auch der Punkt: In einer zunehmend globalisierten Welt, die dank der sozialen Medien immer weiter schrumpft, gleichen sich auch die Verhaltensweisen der Menschen an, zumindest mag es auf den ersten Blick so scheinen. Der Blick, den Nele Wohlatz in „Sleep With Your Eyes Open“ auf ihre Figuren wirft, bleibt meist oberflächlich, sucht eher das Allgemeine als das Spezielle, sucht nach einer Universalität, die am Ende vielleicht aber auch nur behauptet wird.

 

Michael Meyns