Slow Food Story

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Schon lange bevor der Begriff „Entschleunigung“ in Mode kam, begann der italienische Publizist Carlo Petrini sich für bewussten und damit auch langsamen Genuss einzusetzen. 1986 gründete er die Slow Food Bewegung, deren Geschichte Stefano Sardo in seiner Dokumentation nachzeichnet, die in erster Linie ein Porträt ihres umtriebigen, charismatischen Gründers ist.

Webseite: www.slowfoodstory.de

Italien 2013
Regie: Stefano Sardo
Dokumentation
Länge: 73 Minuten
Verleih: Pandastorm Pictures
Kinostart: 10. Oktober 2013

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Auch wenn die Slow Food Bewegung erst 1986 gegründet wurde, beginnt Stefano Sardos Film fast 20 Jahre früher, also in den späten 60er Jahren. Zu diesem Zeitpunkt zählten sich auch Carlo Petrini und seine Freunde zum linken Lager, was in Italien einen noch größeren Hang zu kommunistischen, sozialistischen Idealen bedeutete, als in anderen europäischen Ländern. Schon damals setzen sich der aus dem kleinen Ort Bra, im Nordwesten Italiens stammende Petrini für eine gerechtere Welt ein, für die er in einem illegalen Radiosender agitierte, die sich aber wohl eher das Motto „Brot für alle“ und weniger „Gourmetprodukte für alle“ auf die Fahnen geschrieben hatte.

Doch wie so viele Vertreter der Linken begann auch Petrini im Laufe seines Lebens zunehmend die schönen Seiten des Lebens zu genießen, ganz abgesehen davon, dass ihm als Italiener ein Hang zu gutem Essen und Trinken in die Wiege gelegt wurde. Um über dieses Thema schreiben zu können, gründete er 1977 die Zeitschrift Gambero Rosso, die der linken Tageszeitung Il Manifesto beigelegt war. Doch das war nur der Anfang: Als Reaktion auf das Panschen des Barolo-Weins, der 1980 weltweit Schlagzeilen gemacht hatte, wurde die „Gesellschaft der Freunde des Barolo“ gegründet“ und sechs Jahre später – diesmal als Reaktion auf die Eröffnung einer McDonalds Filiale in Rom – die Slow Food Bewegung.

Die hat inzwischen Ableger in über 150 Ländern, organisiert Kongresse, auf denen über gutes Essen und nachhaltige Lebensmittelproduktion diskutiert wird, bringt Bücher mit Empfehlungen für traditionelle Restaurants heraus und hat im Piemont gar die „Universität der gastronomischen Wissenschaften“ gegründet.

Ein reiches, vielfältiges Leben also, das Stefano Sardo mit unverhohlener Bewunderung nachzeichnet. Angereichert mit zahlreichen Fotos, historischen Aufnahmen und Interviews mit Freunden und Wegbegleiter, erzählt Sardo den rasanten Werdegangs Petrinis nach und kommt dabei kaum zur Ruhe: Mal sieht man den charmanten Charismatiker Politiker umgarnen, mal Hersteller regionaler Spezialitäten gratulieren.

Nur manchmal scheint Sardo zu spüren, dass er als Autor und Regisseur auch kritische Töne vorbringen könnte, lässt er einen Journalisten zu Wort kommen, der Petrinis Selbstverständnis vorsichtig in Frage stellt. Denn welche Exzesse die im Ansatz fraglos begrüßenswerte Betonung des bewussten Essens haben kann, zeigt sich zum Beispiel in einem riesigen Einkaufszentrum voller kleiner Essensstände, die unter dem Namen „Eataly“ formiert und vom Besitzer stolz als „Kulinarisches Disneyland“ bezeichnet wird.

Mit den linken Idealen, mit denen Carlo Petrini einst groß wurde, hat das kaum noch zu tun – im Gegenteil. Doch die ironische Volte, dass der einstige Kommunist Petrini mit seiner Slow Food Bewegung dazu beigetragen hat, Gourmetessen zum Teil des kapitalistischen Systems zu machen, das er einst bekämpfte, führt Stefano Sardo nicht weiter aus. Seine „Slow Food Story“ ist eine unterhaltsame, rasante Dokumentation, die sich damit begnügt, die Fakten ihres Themas nachzuzeichnen und dem Gründer der Bewegung huldigt.

Michael Meyns