Slow

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In den meisten Beziehungen nehmen gelebte Sexualität und Intimitäten eine zentrale Rolle ein. Was aber, wenn der Partner keine sexuelle Anziehung verspürt? Wie gelingt es, intim miteinander zu werden und wie schafft man es, trotzdem eine glückliche Beziehung zu führen? Das feinfühlige Liebesdrama „Slow“ erzählt von einer solchen Partnerschaft. Ein wahrhaftiger und unkonventioneller Film, der voller Überraschungen steckt.

Litauen/Spanien/Schweden 2023
Regie: Marija Kavtaradze
Buch: Marija Kavtaradze
Darsteller: Greta Grineviciute, Kestutis Cicenas, Pijus Ganusauskas

Länge: 108 Minuten
Verleih: Salzgeber
Kinostart: 21. März 2024

FILMKRITIK:

Als Tanzlehrerin Elena (Greta Grineviciute) in einem Kurs für gehörlose Jugendliche auf den Gebärdensprachdolmetscher Dovydas (Kestutis Cicenas) trifft, spürt sie sofort eine besondere Anziehungskraft zwischen ihnen. Die Beiden treffen sich wieder und verbringen mehr Zeit miteinander. Schnell wird klar, dass Elena und Dovydas viel gemeinsam haben. Ihre Freundschaft entwickelt sich schließlich zu einer romantischen Beziehung. Als Elena sich nach mehr Intimität sehnt, erklärt Dovydas ihr, dass er asexuell ist – und nicht dieselben sexuellen Bedürfnisse hat. Trotzdem entscheiden sie sich, gemeinsam einen Weg zu finden.

Im Zentrum von Marija Kavtaradzes Liebesdrama steht eine besondere Liebesbeziehung, in der Sexualität nicht in der „gewohnten Form“ möglich ist. Dieser Herausforderung müssen sich die beiden sorgsam gezeichneten Hauptfiguren stellen, da sie schlicht zu viel füreinander empfinden – um es nicht doch miteinander zu versuchen. Kavtaradze nimmt Elena und Dovydas sowie deren Bedürfnisse dabei jederzeit gleich ernst.

Nach einer gewissen Zeit zeigt sich, dass die Sehnsüchte der beiden Protagonisten nicht immer vereinbar sind, dass deren Begehren auseinanderdriftet. Nicht zuletzt da Elena sexuell freizügiger und offen ist. Sie ist eine selbstbewusste, gleichzeitig sensible Frau, nachdrücklich und beachtenswert von Greta Grineviciute verkörpert. Grineviciute findet einen (Rollen-) Partner auf Augenhöhe im charismatischen Kestutis Cicenas, dessen Natürlichkeit und Feinfühligkeit verzaubern.

Stellvertretend für seine unverstellte, aufrichtige Art steht die Szene des „Outings“, in welcher er Elena von seiner Asexualität berichtet. Hinzu kommt sein verschmitzter Humor, der der gesamten Thematik und damit dem Film eine gewisse Leichtigkeit verleiht. Überhaupt wirkt hier vieles positiv enthemmt und ungekünstelt. Dieser leichte, natürliche Eindruck, der beim Zuschauen entsteht, ist zum einen dem Zusammenspiel der beiden Liebenden geschuldet. Gleichsam einer angenehm unbedarften, alles andere als konventionellen Dramaturgie, die Raum für unerwartete Ereignisse lässt.

Mit Charme und klugem Humor, der an ausgewählten Stellen eingesetzt wird, erzählt „Slow“ von zwei Menschen, die sich immer näherkommen. Ohne miteinander zu schlafen. Daneben existieren weitere Themen und Probleme, denen sich Dovydas und Elena allein und als Paar stellen müssen. Dies verschweigt der Film nicht. Und damit verkommt Dovydas‘ Asexualität auch nicht zum alleinigen, dominanten Gegenstand des Films. Ferner geht es unter anderem um Eifersucht, um die (schwierige) Beziehung zu den eigenen Eltern und die Frage, welches Beziehungsmodell das richtige für einen ist.

Kavtaradze lässt zudem Raum für die Kunst. So sehen wir Elena häufiger bei ihren hypnotischen Tanzdarbietungen oder ihren Trainingsstunden mit den gehörlosen Teenagern. Etwas Magisches geht von einer, in einem Feriencamp angesiedelten Tanzszene aus, in der ihre Schülerinnen und Schüler, völlig geräusch- und kommunikationslos, die gelernten Schritte präsentieren. In anderen Momenten ergänzt passend ausgewählte Hintergrundmusik die Szenerie, darunter schwelgerische und melancholische elektronische Popmusik (z.B. April Snow mit „We fucked it up“).

 

Björn Schneider