Soldaten des Lichts

Verschwörungstheoretiker breiten sich immer mehr aus, ihre Thesen werden unter anderem durch soziale Medien weit gestreut, aber sie werden besonders dann gefährlich, wenn sie antidemokratisches Gedankengut verbreiten und zusätzlich Heilsversprechen mit kommerziellen Interessen verbinden. Umso interessanter ist es, wenn es gelingt, in diese Kreise einzudringen. Julian Vogel (Grimmepreis 2024) und Johannes Büttner (Nominierung Deutscher Kurzfilmpreis 2022) haben genau das getan. Sie zeigen die Mechanismen und Machtverflechtungen in dieser merkwürdigen Parallelwelt am Beispiel eines szenebekannten „Life Coaches“ und seiner Follower.

 

Über den Film

Originaltitel

Soldaten des Lichts

Deutscher Titel

Soldaten des Lichts

Produktionsland

DEU

Filmdauer

108 min

Produktionsjahr

2025

Regisseur

Büttner, Johannes / Vogel, Julian

Verleih

FOUR GUYS Film Distribution

Starttermin

14.08.2025

 

Timo lebt jetzt bei Mr. Raw. Er darf bei ihm wohnen, 8 bis 10 Stunden täglich ohne Lohn für ihn unter anderem in seiner „Rohkosteria“ arbeiten und erhält dafür die Kräutersäfte, Tinkturen und Produkte, die ihn angeblich heilen. Denn Timo ist krank, er hat vor allem große psychische Probleme, die sich über die Corona-Zeit verstärkt haben. Schon seit einiger Zeit ist Timo ein treuer Anhänger von Mr. Raw und seiner Lebensphilosophie. Mr. Raw, der eigentlich David heißt, ist rohveganer Coach und Influencer, er bezeichnet sich selbst als Heiler. Danach kann Timo seine Probleme, die Mr. Raw als „dunkle Mächte“ bezeichnet, durch Fasten, Fitnesstraining, Nahrungsergänzungsmittel und Wildkräutersäfte lösen. Aber auch wenn Mr. Raw ein ums andere Mal betont, wie gut Timo aussieht und welche Fortschritte er schon gemacht hat: Es geht Timo immer schlechter, er nimmt immer mehr ab und wirkt apathisch. Und während Mr. Raw sich wortgewandt und niemals um eine Antwort auf irgendeine Frage des Lebens verlegen, am Telefon mit dem Heilen von Krebserkrankungen betätigt – Wildkräutersaft hilft, auch die Vitori-Matte, und immer dran denken: Krebs stirbt bei Temperaturen über 42 Grad – schuftet Timo für ihn stumm und brav im Kreise seiner Anhänger, mit denen sich Mr. Raw beinahe ständig umgibt. 

 

Als rein beobachtender Dokumentarfilm birgt „Soldaten des Lichts“ nicht nur erschreckende Erkenntnisse, sondern auch viel Stoff für Diskussionen. Dazu gehört auch die Frage, welche Möglichkeiten er aufzeigt, um besser mit Verschwörungstheoretikern umzugehen, um ihnen eventuell auch zu helfen, sich von ihren fatalen Thesen zu lösen und den Weg zurück zur Vernunft zu finden. Aber das ist eigentlich gar nicht die Absicht des Films. Hier geht es offenbar tatsächlich darum, erstmal zu informieren. Daraus ergeben sich einige weitere wichtige Fragen, die der Film zumindest teilweise beantwortet. Wie funktioniert das System von Abhängigkeit, Macht und Machtmissbrauch in diesem Kosmos der sich ständig selbst bestätigenden Anführer und ihrer Follower? Wie entstehen die emotionalen Bindungen, die in diesem Rahmen aufgebaut werden? 

 

Interessant ist dabei nicht nur der sektenähnliche Charakter der Gruppe um Mr. Raw, sondern auch dessen Nähe zu den berüchtigten „Reichsbürgern“ nebst weiteren Verflechtungen in die rechte Szene. Denn hinter Mr. Raws nach außen demonstrierten Fitness-Inhalten eröffnen sich schnell kaum verborgene krude Verschwörungstheorien – ein gefährlich radikales Weltbild, das zu Teilen an Attila Hildmann erinnert, der sich als Vegan-Koch etablierte, während der Corona-Epidemie endgültig in die Verschwörungsszene abdriftete, den „Reichsbürgern“ nahestand und aufgrund von Gewaltdelikten und anderen Straftaten verfolgt wurde. Hildmann entzog sich der Verhaftung durch die Ausreise in die Türkei – er ist auch türkischer Staatsbürger. Beide Männer haben gemeinsam, dass sie rechtsradikale Ansichten vertreten, obwohl sie selbst Angehörige von Minderheiten sind und damit auch das Ziel von Anfeindungen und Diskriminierungen, prinzipiell auch aus den nationalistisch radikalen Gruppen, denen sie nahestehen: Attila Hildmann als Türke und Mr. Raw, David Ekwe-Ebobisse, mit Wurzeln in Kamerun. Das sind interessante psychologische Zusammenhänge, ebenso die Kombination von Schwurbel-Esoterik, Lifestyle und Kommerz. Da kommen dann auch wieder die Echsenmenschen zur Sprache, wenn Mr. Raw mit seinem Kumpel, dem Geistheiler Sananda, spricht, der die Ansicht vertritt, dass es nur noch 13 % echte Menschen auf der Welt gibt. Oder wenn beim Treffen der Regionalgruppe vom „Königreich Deutschland“ (der Verein wurde im Mai 2025 verboten) der König von Deutschland, Peter I. alias Peter Fitzek, spricht und sich feiern lässt. 

 

Es fällt schwer, die Doku nach rein filmischen Aspekten zu beurteilen, denn zu schwer wiegt die Last des Inhalts. Hier kann es keine einfachen Lösungen geben – schon deshalb, weil einfache Lösungen immer verdächtig sind und sich hinter dem Wunsch danach oft genau das Weltbild versteckt, das in diesem Film überreichlich präsentiert wird. Doch die Wahrheit schmerzt, und die Wahrheit ist, dass es offenbar immer mehr Menschen gibt, die sich von dieser Szene angezogen fühlen. Vieles an „Soldaten des Lichts“ ist unangenehm, allein schon die Eitelkeit, der Realitätsverlust und die Selbstüberschätzung, mit der sich Mr. Raw und seine Freunde präsentieren, die wohl auch teilweise Finanziers sind und die nichts anderes tun, als sich gegenseitig immer wieder selbst zu bestätigen, als bräuchten sie die ständige Versicherung, dass sie alles richtig machen in ihrem kleinen Schwurbelkosmos. Und manches ist schwer erträglich. Man wird Zeuge, wie sich Timo zugrunde richtet und wie seine verzweifelten Eltern versuchen, ihn in die Welt und ins Leben zurückzuholen. So bleibt am Ende der Eindruck einer hoch informativen Dokumentation ohne jeden Kommentar und Bewertung, in der sich die handelnden Personen zwar selbst entlarven, das aber – wie so vieles andere – gar nicht realisieren. 

 

Gaby Sikorski

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