Something in the Dirt

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Die spezielle Lage während der Corona-Pandemie inspirierte das Filmemacher-Duo Justin Benson & Aaron Moorhead zu einem sehr speziellen und ganz besonderen Film: Fast ausschließlich in einem Appartement gedreht gelingt dem Duo mit „Something in the Dirt“ ein ungewöhnliches, originelles Spiel mit Genremotiven, Verschwörungstheorien und selbstreflexiven Momenten. Eine kleine Filmperle, die beweist, dass man nicht viel Geld braucht um tolle Filme zu drehen.

Something in the Dirt
USA 2022
Regie: Justin Benson, Aaron Moorhead.
Buch: Justin Benson
Darsteller: Justin Benson, Aaron Moorhead. Sarah Adina Smith, Issa Lopez, Vinny Curran, Jeremy Harlin

Länge: 116 Minuten
Verleih: Indeed Film/ Drop-Out
Kinostart: 28. September 2023

FILMKRITIK:

Am Rand von Los Angeles, in einem heruntergekommen Appartementkomplex in den Hollywood Hills, der weit weg vom Glamour der Filmindustrie liegt, begegnen sich Levi Danube (Justin Benson) und John Daniel (Aaron Moorhead). Während John schon seit Jahren hier wohnt, ist Levi gerade eingezogen, fast ohne Gepäck, nur vorübergehend, bis er die Stadt endlich verlassen kann.
Zu den wenigen Objekten in seinem Appartement zählt ein kristallener Aschenbecher – der plötzlich zu schweben scheint, bizarre Lichtreflexe ausstrahlt und später gar Melodien von sich gibt. Nach anfänglicher Irritation reagieren Levi und John so, wie man das aus Amerika im Allgemeinen und der Filmindustrie im Speziellen gewöhnt ist: Sie versuchen aus der Gelegenheit Profit zu schlagen. Eine Dokumentation über das mysteriöse Phänomen soll entstehen und gewinnbringend an einen Streamer verkauft werden. Doch mehr und mehr verliert sich besonders John in Spekulationen über den Ursprung und die Bedeutung des Mysteriums, bis es schließlich unweigerlich zu einer Katastrophe kommt.
Seit Jahren arbeitet das Duo Justin Benson und Aaron Moorhead zusammen, schreiben, produzieren, schneiden Filme in Eigenregie, manchmal – so wie hier – spielen sie auch die Hauptrollen. Für wenig Geld entstehen so Filme wie „The Endless“ oder „Snychronic“, die Genremotive variieren und auf ungewöhnliche, originelle Weise von Zeitreisen, UFOs und anderen übernatürlichen Dingen erzählen.
Ihr fünfter Film „Something in the Dirt“ ist nun eine Ode ans „Filmemachen mit Freunden“, wie es im Abspann heißt, und ist ein Film, der über ein Jahr gedreht wurde, in einem Appartementkomplex, in dem Justin Benson selbst wohnt. Die durch die Corona-Pandemie notwendigen Einschränkungen führten zudem dazu, dass Benson und Moorhead selbst als Schauspieler agierten, was zwar nicht ihre größte Stärke darstellt, aber auf Dauer doch zu einem Film passt, der in gewisser Weise sein eigenes Making-Off ist. Bald tauchen Talking Heads von (angeblich) Beteiligten auf, Experten für Übersinnliches, aber auch ein Geologe, der die zunehmend bizarr anmutenden Theorien des Duos auseinandernimmt.
Seltsame mathematische Gleichungen finden sich an der Wand der Wohnung, die John zu Theorien über den Goldenen Schnitt inspiriert, später zu Mutmaßungen über den Bebauungsplan seines Viertels, in dem einst ein Visionär wie Aldous Huxley lebte und mit halluzinogenen Drogen experimentierte, vielleicht auch Freimaurer agierten, vielleicht aber auch einfach Außerirdische ein Portal öffneten.
Mit größter Phantasie beziehen sich Benson & Moorhead auf große Klassiker wie „Unglaubliche Begegnung der dritten Art“, aber auch im Geiste verwandte Low bis No-Budget Filme wie „Pi“, „Eraserhead“ oder „Following“, die auf ähnlich originelle Weise von zunehmend manischen Obsessionen erzählten. Und dass das Ergebnis trotz der beschränkten Mittel visuell nicht eintönig wird, dafür sorgt der kreative Umgang mit Found Footage-Materialien, mit frei verfügbaren Bildschnippseln aus dem Internet, die zur Bebilderung jeder noch so obskuren Theorie dienen. Und gerade dieses Stilmittel erzählt am Ende viel über die Möglichkeiten und Abgründe des Internets, wo sich kleinteilige Communitys bilden und seltsamen Gedanken nachhängen. Am Ende mag man „Something in the Dirt“ gleichermaßen als Hommage ans Denken in Grenzbereichen verstehen, wie als Warnung vor den Untiefen von Verschwörungstheorien. So oder so, ein außergewöhnlicher, origineller Film.

Michael Meyns