Something in the Water

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Steven Spielberg hat sie meisterlich befeuert: die menschliche Urangst vor den Gefahren, die im Wasser lauern können. Seit seinem Überklassiker „Der weiße Hai“ aus dem Jahr 1975, der das Image des großen Raubfisches schwer ramponierte, versuchen Filmemacher immer wieder, eine ähnliche Intensität auf die Leinwand zu bringen. Auch heute noch, obwohl Haie im Kino und auf dem Home-Entertainment-Markt längst parodistischen Status erreicht haben. „Something in the Water“, inszeniert von Hayley Easton Street, geschrieben von Cat Clarke und in den Hauptrollen besetzt mit fünf Darstellerinnen, geht das Wir-sind-im-Meer-auf-uns-allein-gestellt-Szenario aus einer weiblichen Perspektive an, produziert aber leider vor allem eins: anhaltende Langeweile.

Originaltitel: Something in the Water
GB 2024
Regie: Hayley Easton Street
Drehbuch: Cat Clarke
Cast: Hiftu Quasem, Natalie Mitson, Nicole Rieko Setsuko, Lauren Lyle, Ellouise Shakespeare-Hart, Gabriel Prevost-Takahashi u. a.
Länge: 86 Minuten
FSK: ab 16 Jahren
Verleih/Vertrieb: Studiocanal
Website: https://www.studiocanal.de/title/something-in-the-water-2024/
Kinostart: 05. September 2024

FILMKRITIK:

Nicht unbedingt gewohnt ist man aus einem Thriller-Subgenre wie dem Hai-Film, dass zumindest ein paar Figuren etwas mehr Profil bekommen sollen. Meg (Hiftu Quasem) und Kayla (Natalie Mitson) lernen wir als glücklich durch die Londoner Nacht schlenderndes Pärchen kennen, das sich von einer vorbeikommenden Mädchentruppe homophobe Beschimpfungen anhören muss. Während Meg die Anfeindungen ignorieren will, scheut die offenbar impulsivere Kayla nicht davor zurück, ihren Mund aufzumachen. Mit dem Ergebnis, dass Meg brutal zusammengeschlagen wird und ein Trauma erleidet.

Ein Jahr später ist ihre Beziehung durch den Vorfall, für den Meg Kayla eine Mitschuld gibt, Geschichte. Anlässlich der Hochzeit ihrer guten Freundin Lizzie (Lauren Lyle) sehen sich die beiden allerdings in der postkartenmäßig eingefangenen Karibik wieder. Mehr noch: Ihre Clique, zu der auch Cam (Nicole Rieko Setsuko) und Ruth (Ellouise Shakespeare-Hart) gehören, hat sich für die Ex-Partnerinnen etwas ganz Besonderes ausgedacht. Bei einem Ausflug am Vortag der großen Feier werden Meg und Kayla auf einer einsamen Insel ausgesetzt und sollen sich dort in Ruhe aussprechen. Nur wenig später hat die Gruppe jedoch ganz andere Sorgen. Denn Ruth wird von einem Hai attackiert und schwer verletzt. Beim Versuch, zurück zum Festland zu gelangen, säuft ihr Boot nach der Kollision mit einem aus dem Wasser ragenden Felsen ab.

Natürlich – wir befinden uns hier schließlich in einem Film – können die von einem Raubfisch umkreisten Schiffbrüchigen keinen Notruf absetzen. Selbstredend gibt es nur eine Rettungsweste. Und zu allem Überfluss muss die hysterische Braut ihren Freundinnen gestehen, dass sie nicht schwimmen kann. Gerne würde man dem Quintett die Daumen drücken. Aber irgendwie will der Funke nicht recht überspringen. Lizzie, Cam und Ruth bekommen, sieht man von einer Überraschung ab, fast keinen Entfaltungsraum, bleiben platte Erfüllungsgehilfinnen des Drehbuchs, während der Fokus auf das Verhältnis zwischen Meg und Kayla den Überlebenskampf recht vorhersehbar macht.

Kann man einerseits froh sein, dass Hayley Easton Street in ihrem Langfilmdebüt – womöglich auch aus Kostengründen – kein reißerisch-blutiges Spektakel entfacht und die Tiere nicht zu Monstern hochstilisiert, ist es andererseits fatal, wie wenig „Something in the Water“ alternativ anzubieten hat. Ein paar ominöse Unterwasseraufnahmen, eine hier und da hervorlugende Rückenflosse und ein gelegentlich hervorschießender, sich seltsam abgehackt bewegender Hai garantieren auf lange Sicht keine Spannung.

Dass man aus einem minimalistischen Rahmen einiges an existenzialistischem Drama herausholen kann, beweist J. C. Chandors Ein-Personen-Stück „All Is Lost“ (2013), in dem der von Robert Redford gespielte Protagonist allein auf hoher See dem Tod ins Auge blickt. Der Hai-Thriller lässt seine Figuren bloß ständig erklären, wer was wann wie gesagt hat, oder legt ihnen ermüdende Gespräche über das üppige Hochzeitsbuffet in den Mund. Zu plump wirken auch die Bemühungen, der Survival-Geschichte einen sozialen Kommentar abzuringen, wenn Lizzie darüber philosophiert, dass sie als Kind aus einfachen Verhältnissen eigentlich nicht an einen paradiesischen Ort gehöre und ihre Hochzeit nicht so pompös hätte aufziehen sollen. Dass Rad neu zu erfinden, verlangt von einem Film wie diesem niemand. Zu früh dümpelt das Geschehen aber einfach nur vor sich hin, schlägt keine Richtung konsequent ein und würgt das Publikumsinteresse dadurch ab.

Christopher Diekhaus