Sorry Angel

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Liebe in Zeiten von Aids, darum geht es in Christoph Honorés Film „Sorry Angel“, der 1993 spielt, als die Krankheit noch meist ein Todesurteil war. Zwei unterschiedliche Charaktere treffen aufeinander: Ein älterer, etwas desillusionierter Mann und ein junger Typ, der erst am Anfang der Entdeckung seiner Homosexualität steht. Das Thema Aids schwingt zwar ständig mit, doch ist „Sorry Angel“ weniger tragisch als berührend und tief empfunden.

Webseite: www.salzgeber.de/sorryangel

Plaire, aimer et courir vite
Frankreich 2018
Regie & Buch: Christophe Honoré
Darsteller: Vincent Lacoste, Pierre Deladonchamps, Denis Podalydes, Adèle Wismes, Thomas Gonzalez, Clement Metayer, Quentin Thebault, Tristan Farge
Länge: 132 Minuten
Verleih: Salzgeber
Kinostart: 25. Oktober 2018

FILMKRITIK:

Jacques (Pierre Deladonchamps) lebt in Paris, ist leidlich erfolgreicher Schriftsteller und hat Aids. Arthur (Vincent Lacoste) lebt in Rennes, studiert ein wenig planlos vor sich hin und ist auch in Sachen Sexualität noch unentschlossen. Anfangs sieht man ihn mit einer Frau, doch als er in einem Kino in Rennes Jacques trifft, der dort ein Stück inszeniert, ist er von dem älteren, erfahrenen Mann sofort gefesselt. Auf der Leinwand ist Jane Campions „Das Piano“ zu sehen, der Arthur ein wenig langweilt, und nicht nur die Klasse dieses Films bringt Jacques dem jungen, ungestümen Arthur bald bei.
 
Langsam nähern sich die Männer an, vor allem per Telefon, in langen Gesprächen, denn besonders Jacques ist bei aller Faszination für Arthur mehr als zurückhaltend. Das Wissen, das er den Aids-Virus in sich trägt, dass er in nicht allzu ferner Zukunft sterben wird, lässt ihn davor zurückweichen, sich ganz auf die Liebe einzulassen. Arthur wiederum beginnt langsam zu realisieren, dass er deutlich mehr an Männern interessiert ist, als an Frauen und versucht alles, um Jacques zu gewinnen.
 
Porträt einer Zeit ist „Sorry Angel“, der keine 25 Jahre in der Vergangenheit spielt und doch wie aus einer völlig anderen Ära wirkt. Festnetztelefone, französische Popmusik der frühen 90er Jahre, Opium und Schallplatten durchziehen Christoph Honorés Film, der jedoch in keinem Moment verstaubt wie ein Historienfilm wirkt.
 
Nicht mehr so verspielt und voller Zitate wie in „Chanson der Liebe“ oder „Die Liebenden - Von der Last, glücklich zu sein“ inszeniert Honoré, sondern mit größerem Naturalismus. Das mag einer gewissen autobiographischen Note geschuldet sein, die man hier vermuten darf, ohne dass dies besonders betont wird.
 
Ohnehin ist die Beiläufigkeit die größte Stärke des Films. In 132 Minuten entfaltet Honoré ein breites Bild einer Gesellschaft, in deren Zentrum zwar die sich langsam entwickelnde Beziehung zwischen Arthur und Jacques steht, deren Rändern aber mit ebenso komplexen Nebenfiguren gefüllt sind. Bei Arthur ist das seine Gelegenheitsfreundin Nadine (Adèle Wismes), bei Jaques sein Sohn Loulou (Tristan Farge), der gelegentlich bei ihm wohnt, ohne dass dies weiter thematisiert wird, sein Freund und Nachbar Mathieu (Denis Podalydes) und sein früherer Liebhaber Marco (Thomas Gonzalez), der an Aids stirbt und die letzten Tage seines Lebens in Jacques Apartment verbringt.
 
Schwere Themen, die Honorés Film jedoch nicht zu einem düsteren Drama machen. Denn auch wenn am Ende Tod und Verlust stehen, ist „Sorry Angel“ doch eher ein Film über das Leben, über Begierden und Lüste, über persönliche Entwicklung und das Entdecken von Sinn- und Zärtlichkeit. Und natürlich über das Ur-Thema des französischen Kinos: Die Liebe.
 
Michael Meyns