Speer Goes to Hollywood

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Er war Hitlers Architekt, Wegbegleiter und Freund des Führers, schaffte es aber dennoch lange Zeit, als der „gute Nazi“ zu gelten. Ein Faszinosum, ein Mysterium ist Albert Speer, dessen Autobiographie Anfang der 70er Jahre tatsächlich fast in Hollywood verfilmt worden wäre. Davon erzählt Vanessa Lapa in ihrem Dokumentarfilm „Speer goes to Hollywood“, der vom Mythos Speer nichts mehr übriglässt.

Website: https://salzgeber.de/speer

Dokumentarfilm
Israel 2020
Regie: Vanessa Lapa
Buch: Vanessa Lapa & Alexis Noelle
Länge: 97 Minuten
Verleih: Salzgeber
Kinostart: 11.11.2021

FILMKRITIK:

15 Jahre lang, von seiner Entlassung aus dem Gefängnis 1966 bis zu seinem Tod 1981, gehörte Albert Speer zur gesellschaftlichen Elite der Bundesrepublik, verdiente mit seinen Büchern Millionen, war gern gesehener Gast in Talkshows und auf Empfängen. Und das obwohl der Architekt seit Anfang der 30er Jahre enger Wegbegleiter Adolf Hitlers war, für den er nach gewonnenen Krieg Berlin in die Welthauptstadt Germania verwandeln sollte. Früh trat Speer der NSDAP bei, war Mitglied der SA, später der SS, setzte für seine Bauprojekte Millionen Zwangsarbeiter ein.

Kein bei den Nürnberger Prozessen Angeklagter, der nicht hingerichtet wurde, war von höherem Rang als Speer, der nach dem Gefängnis zusammen mit Joachim Fest, dem langjährigen Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, seine Memoiren verfasste, die ein weltweiter Bestseller wurden. Und sogar Hollywood auf den Plan riefen. Das Studio Paramount plante einen Film und heuerte den jungen britischen Autor Andrew Birkin an, ein Drehbuch zu schreiben. Zu diesem Zeitpunkt stand Birkin, der später Filme wie „Der geheime Garten“ und „Brennendes Geheimnis“ drehen sollte und die Drehbücher für „Der Name der Rose“ und „Das Parfüm“ schrieb, noch am Anfang seiner Karriere. 40 Stunden sprach er mit Speer über dessen Leben und den Film, Gespräche, die er auf Tonband aufnahm.

Diese Kassetten bilden nun die Grundlage von Vanessa Lapas Dokumentarfilm „Speer goes to Hollywood“, die hier ihre sehr ungewöhnliche Beschäftigung mit Nazi-Größen fortsetzt. 2014 hatte sie in „Der Anständige“ anhand von Briefen und Tagebucheinträgen Heinrich Himmler entlarvt, nun ist Albert Speer an der Reihe. Erneut kontrastiert Lapa Bild- und Tonebene, verwendet auf der Tonspur größtenteils die angesprochenen Tonbänder, auf denen Speer in gutem, wenn auch stark akzentlastigem Englisch, entspannt und freundlich auf Birkins Fragen antwortet. Der geht vorsichtig zu Wege, führt kein Kreuzverhör, weicht aber den schwierigen, drängenden Themen auch nicht aus. Doch egal ob es um das Wissen um Vernichtungslager, das Schicksal von Deportierten oder der Zwangsarbeiter geht: Speer hat stets eine Erklärung parat, redet sich raus, täuscht Unwissen vor.

Wie viel er tatsächlich von den Verbrechen der Nationalsozialisten gewusst hat, kann natürlich auch Lapa nicht genau sagen. Dass Speer durch seine souveräne, charmante Art nicht nur Birkin und Fest, sondern auch viele andere Menschen um den Finger wickelte, wird jedoch durch den Kontrast von Ton und Bild mehr als deutlich: Aus Archivmaterial vom Leben in Deutschland in den 30ern, den Zerstörungen des Krieges, aber auch Bildern aus den Konzentrationslagern, formt Lapa eine dichte Kollage, die vor allem eins zeigt: Egal wie viel Speer am Ende wusste, unschuldig war er ganz gewiss nicht, war im Gegenteil tief in das Nazi-System eingebunden. Das ist zwar keine neue Erkenntnis, ein eindringlicher Film über das Dritte Reich und die Lebenslügen der Deutschen ist „Speer goes to Hollywood“ aber dennoch.

Michael Meyns