Spieltrieb

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Basierend auf dem Erfolgsroman von Juli Zeh inszeniert Gregor Schnitzler mit den ausgezeichneten Michelle Barthel und Jannik Schümann in den Hauptrollen einen Film, der vor allem Teenager-Romanze ist, aber auch den philosophischen Überlegungen der Romanvorlage gerecht werden will. Das nicht ganz runde Ergebnis kann vor allem als Teenie-Film überzeugen.

Webseite: www.spieltrieb-derfilm.de

Deutschland 2012
Regie: Gregor Schnitzler
Buch: Kathrin Richter, Jürgen Schlagenhof, nach dem Roman von Juli Zeh
Darsteller: Michelle Barthel, Jannik Schümann, Maximilian Brückner, Sophie von Kessel, Richy Müller
Länge: 104 Minuten
Verleih: Concorde Filmverleih
Kinostart: 10. Oktober 2013

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Die 15jährige Ada (Michelle Barthel) ist eine typische Außenseiterin. Dank ihrer außerordentlichen Intelligenz hat sie zwei Klassen übersprungen, was den Unterschied zwischen ihr und ihren vor allem an teuren Klamotten und Spaß interessierten Mitschülern noch verstärkt. Als der dandyhafte Alev (Jannik Schümann) – 18 Jahre, smart, großkotzig, stets in coole Anzüge gekleidet – in Adas Klasse am Ernst-Bloch Gymnasium kommt, ändert sich ihr Leben.

Fasziniert vom Charme, Selbstbewusstsein, aber auch Intellekt Alevs, lässt sich Ada auf zunehmend perfide Spiele ein. Im Bewusstsein, ihren Mitmenschen geistig überlegen zu sein, leitet das Paar das Recht, um nicht zu sagen die Pflicht ab, in das Leben der weniger Hellsichtigen einzugreifen, die gefangen im Korsett der Konventionen leben. Ihr erstes Opfer: Der Lehrer Smutek (Maximilian Brückner), der von Ada verführt wird, während Alev filmt.

Im Gegensatz zu Alev, der seine Machtposition, das Erniedrigen und Beeinflussen anderer Menschen sichtlich geniest, ist Ada nicht ganz wohl bei der Sache. Doch zu groß ist ihre Verliebtheit, ihr Glaube, etwas Besonderes zu sein, als dass sie sich der verführerischen Kraft Alevs entziehen könnte. Zu immer neuen Treffen erpressen sie Smutek, immer tiefer verstrickt sich das Duo in moralische Abgründe, bis Ada realisiert, dass sie sich fragen muss, wer hier eigentlich mit wem spielt.

Es ist kein Zufall, dass sich Ada und Alev beim intellektuellen Kräftemessen immer wieder Nietzsche-Zitate zuspielen. Der Gedanke des Übermenschen ist auch im Kino ein beliebtes Topos, der etwa in Hitchcocks „The Rope“ oder dem Teenie-Film „Eiskalte Engel“ als Ursache für den Missbrauch von Macht führt. Bis zum Mord treiben es die Protagonisten in „Spieltrieb“ zwar nicht, doch auch ihre Versuche, das Leben ihrer Opfer zu „verbessern“, sie zu „befreien“, arten zunehmend aus.

Es sind die aus diesem Gedankenspiel entstehenden Fragen, die im Mittelpunkt von Juli Zehs Roman stehen. Nicht umsonst ist Zeh auch Juristin, die ihre Romanfiguren und -handlungen immer wieder allegorisch auflädt, sie für Reflektionen über Moral, Chaos und Ordnung nutzt. Diese Elemente des Romans sind zwar auch noch im Film zu erahnen, doch der Versuch, die komplexe Vorlage zu einem 100minütigen Film zu komprimieren, hat zur Fokussierung auf die konventionellere Ebene geführt. Wie aus einem anderen Film wirken dadurch Szenen zwischen Ada und ihrer Mutter, Momente im Internat oder auf Klassenfahrt, wie man sie aus typischen Teenie-Filmen kennt.

So überzeugend die beiden Hauptdarsteller hier sind, so treffend sie die erste große Verliebtheit Adas umsetzen, so wenig mag man ihnen oft die Zitate aus Literatur und Philosophie abnehmen, die sie sich an den Kopf werfen. So zerfällt „Spieltrieb“ ein wenig in zwei Teile: Einen intellektuellen und einen emotionalen, eine abstrakte Geschichte über Ordnung und Moral und eine Teenager-Geschichte. Ganz zusammen finden die beiden Teile nicht, doch während die abstrakten Fragen auch nach dem Kinobesuch noch durch den Kopf schwirren (und vielleicht zum Lesen des Romas anregen), ist es die Teenie-Romanze, die als Film überzeugt und „Spieltrieb“ zu einem zwar nicht ganz runden, aber doch unterhaltsamen Film macht.

Michael Meyns