Staatsdiener

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Das Fernsehprogramm ist geflutet mit Dokumentationen und Reality-TV-Formaten über Ordnungshüter in Uniform. Das Publikumsinteresse scheint also vorhanden - höchste Zeit, sich dem Freund und Helfer in einer unaufgeregten Weise mit der Kamera zu nähern. Die Doku begleitet die Cop-Welpen bei der Ausbildung und ihren ersten, bisweilen tapsigen Einsätzen. Auf den üblichen Erklärbär aus dem Off wird verzichtet. Die Bilder, so das Konzept, sollen unkommentiert für sich selbst sprechen. Ebenso die Objekte der dokumentarischen Begierde, die von ihrem Alltag in Uniform erzählen. „Authentizität“ heißt das holprige Zauberwort. Die Rechnung geht auf. Der Blick hinter die Kulissen und darauf, wie Polizisten gemacht werden, erweist sich als ebenso lohnend wie spannend. Als Debütwerk allemal ein erfolgreicher Fahndungserfolg.                                                    

Webseite: www.zorrofilm.de

D 2015
Regie: Marie Wilke
Darsteller: Kathrin Cruz, Patrick Ehrlich, Ann-Kathrin Krauß, Viktor Seletsky
Filmlänge: 80 Minuten
Verleih: Zorro, Vertrieb: 24Bilder
Kinostart: 27. August 2015

Pressestimmen:

"80 kurzweilige Minuten... ein spannender Einblick in die Ausbildung junger Polizisten. Und an den wird man denken, wenn die nächste Streife an einem vorbeifährt."
Die Zeit online

FILMKRITIK:

„Ich bin der Staat!“, sagt einer der Polizeianwärter trotzig, als es in geselliger Runde der Aspiranten darum geht, ob die Pflicht zur Preisgabe des eigenen Namens sinnvoll sei, um Übergriffe bei Demonstrationen zu ahnden. Seine Kollegen quittieren die Aussage mit Lachen, auch der Bürger, so die Entgegnung, habe legitime Rechte. Mit solchen Momentaufnahmen gibt Dokumentarfilmerin  Marie Wilke dezente Einblicke in die Denkweisen von Polizeischülern. Für ihre Expedition ins Reich der Polizeiausbildung bekam Wilke von der Fachschule in Sachsen-Anhalt eine Carte Blanche und konnte dort ohne Aufpasser oder Auflagen die Studierenden in ihrem ersten Jahr mit der Kamera begleiten. Auf dem Programm stehen Judo- und Schießtraining, das Zerlegen der Waffen oder der Aufmarsch in Kampfmontur auf dem Exerzierplatz. Daneben gibt es trockenen Gesellschaftskunde-Unterricht oder lebensnahe Rollenspiele, die auf die späteren Einsätze vorbereiten.
 
Die Bewährung in der Praxis lässt nicht lange auf sich warten. Als Bereitschaftspolizisten stehen die jungen Uniformierten aggressiven Fußball-Hooligans oder Neonazis gegenüber. Bei Praktika auf den Revieren erleben sie den unspektakulären Alltag, der ihr späteres Berufsleben bestimmen wird: Sie müssen auf ihren nächtlichen Streifen die lächerlichen Scharmützel zänkischer Nachbarn schlichten, gewalttätige Suffköpfe in die Klinik einweisen oder vermeintliche Einbrecher stellen, deren Absichten kaum einzuschätzen sind. Nicht zu vergessen, der schier endlose Papierkram, der nach jedem Einsatz wartet.
 
Während die Ausbildung in der Schule mit ruhigen Bildern inszeniert wird, geht es bei den nächtlichen Einsätzen in der Realität deutlich hektischer zu. Mit der Handkamera begleitet die Regisseurin den Polizei-Nachwuchs, dem bei allem Nervenkitzel zudem ständig die Angst vor einer Beurteilung der Ausbilder im Nacken sitzt. Als roter Faden für die Doku dient die Polizeischülerin Kathrin Cruz, die ihren Beruf durchaus reflektiert betrachtet. Wird sie später ihren Enthusiasmus bewahren können oder durch Routine und aufreibende Einsätze so abstumpfen wie manche der erfahrenen Kollegen fragt sie sich und ihre Mitschüler einmal.

Auch zum Image der Staatsmacht gibt es durchaus kritische Töne, haben einige der Schüler früher doch selbst schon Willkür am eigenen Leib erlebt. Wie viele Rempeleien muss man sich bieten lassen, ohne die eigenen Vorsätze zu verlieren? Welche Reaktionen sind gerechtfertigt? Motiviert das Freund und Helfer-Syndrom oder der sichere Job mit Beamtenstatus? Der Film protokolliert solche Diskussionen unter den Schülern ganz bewusst ohne Wertung. Und er lässt sich bei der Beobachtung durchaus Zeit. Die Blasmusik bei der Vereidigung oder die feierlichen Reden danach – eigentlich verzichtbar. Als kleine Verschnaufpausen indes durchaus sinnvoll.
 
„Der Film soll als Fragment wahrgenommen werden, er ist keine geschlossene Erzählung“ sagt die Regisseurin über ihre Langzeitbeobachtung: „Mir war es wichtig, einen offenen Blick zu behalten und einen Raum zu schaffen, in dem der Zuschauer sich frei bewegen kann. Man darf die Protagonisten auf ihrem Weg begleiten, aber man bleibt auf Distanz.“ In Zeiten marktschreierischer TV-Formate über das Thema Polizei durchaus eine angenehme Alternative. Als Debütwerk allemal ein erfolgreicher Fahndungserfolg.
 
Dieter Oßwald