Sterne zum Dessert

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Eine französische Dramödie, die Appetit macht und die man keinesfalls auf nüchternen Magen sehen sollte: Nach der Autobiografie des berühmten französischen Patissiers Yaziud Ichemrahen entstand ein berührender Film mit Witz und Tiefgang, der vom schwierigen Aufstieg eines Jungen aus den Banlieues zum gefeierten Küchen-Star erzählt.

À la belle etoile
Herstellungsland: Frankreich
Jahr: 2023
Regie: Sébastian Tulard
Drehbuch: Cédric Ido, Yaziud Ichemrahen, Marwan Amesker
Darsteller: Radh Belaïche, Loubna Abidar, Marwan Amesker

Länge: 110 Minuten
Verleih: 24 Bilder
Kinostart: 28.12.2023

FILMKRITIK:

Yazid ist mit Schneebesen und Rührschüssel in der Hand auf die Welt gekommen: die Kunst der Patisserie, der Zubereitung köstlicher Süßspeisen, ist sein großes Talent. Kaum ist er alt genug, setzt er alles daran, diesen Beruf zu erlernen und zu den besten seines Fachs zu gehören. Doch dann muss er eine Entscheidung treffen: Soll er ein genialer Patissier werden, oder der beste Patissier der Welt?

Um der beste Patissier der Welt zu werden, müsste Yazid sich an die strengen Regeln der Grande Cuisine, der großen französischen Küche halten. Um sein Genie unter Beweis zu stellen, müsste er all diese Regeln brechen. Diese Entscheidung fällt Yazid besonders schwer, denn mit Regeln hat er grundsätzlich Probleme: Er hat eine unstete Kindheit in zahlreichen Pflegefamilien verbracht und ist oft mit Ungerechtigkeit konfrontiert worden, gegen die er wieder und wieder rebelliert hat. Und ähnlichen Ungerechtigkeiten steht er jetzt in der großen Gastronomie gegenüber, wo er seine Ausbildung zum Patissier macht. Yazids Weg verläuft alles andere als gerade, er scheitert, steht aber immer wieder auf und erreicht schließlich sein großes Ziel: er kämpft mit der französischen Patissier-Nationalmannschaft um den Weltmeistertitel!

Yazids Geschichte klingt auf den ersten Blick unglaublich, aber noch unglaublicher ist, dass sie auf Tatsachen beruht. Die Geschichte basiert auf dem autobiografischen Roman  „Un rêve d’enfant étoilé“ von Frankreichs Starkonditor Yaziud Ichemrahen, der auch am Drehbuch mitgeschrieben hat. Und das hat durchaus cineastische Reize: Selten wurde in den letzten Jahren so virtuos mit ineinander verschachtelten Rückblenden gearbeitet wie in „Sterne zum Dessert“. Während Yazid in der Sterneküche seine ersten Sporen verdient, gibt es immer wieder Backflashs in seine Kindheit: die Auseinandersetzungen mit seiner Mutter, die mit seiner Erziehung überfordert ist, das Leben bei einer Pflegefamilie, die ihn fördert, seine Heimaufenthalte und seine Zeit als „junger Wilder“, der sich immer wieder selbst ein Bein stellt.

Der Film balanciert elegant auf dem schmalen Grat zwischen sozialem Drama und Feelgood-Movie. Dass dieser Spagat gelingt, liegt zum großen Teil an den groß aufspielenden Darstellern, die vor allen Dingen die Leidenschaft für die große Küche überzeugend transportieren, allen voran Yazid-Darsteller Radh Belaïche, in Frankreich unter dem Namen Just Riadh ein angesehener Comedian und Internet-Star. Wie dieser sympathische junge Mann ständig zwischen Wissbegierde und Rebellion, Ehrgeiz und Verweigerung changiert, ist absolut sehenswert.

„Sterne zum Dessert“ ist natürlich ein Film für Foodies und Gourmets, aber auch für Menschen, die bisher mit Küche und Kochen wenig zu tun hatten. Am ehesten könnte man die Sozialkomödie vielleicht noch mit einem Sportfilm vergleichen. Regisseur Tulard schildert die Zubereitung von Desserts für die Sterneküche als das, was sie ist: Hochleistungssport. Und spätestens beim großen Finale, wenn Yazid mit der französischen Mannschaft um den Weltmeistertitel der Patissiers kämpft, kommt ein Gänsehaut-Feeling auf, dem man sich nicht entziehen kann. Das ist ganz großes Tennis, auf dem Dessert-Teller und im Kinosaal.

 

Gaby Sikorski