Steve Jobs

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Steve Jobs veränderte das Kaufverhalten von Massen und damit Lebensweisen und Kultur. Um sein legendäres Leben ranken sich viele widersprüchliche Mythen. Den Apple-Kult auf Leinwand zu bannen ist somit keine leichte Aufgabe. Nicht umsonst beschränkt sich Regisseur Danny Boyle („Slumdog Millionär“) auf drei Episoden, die das Widersprüchliche von Jobs beruflichen wie privaten Werdegang verdichten. Sein eindringliches Tech-Biopic zeigt den früh verstorbenen Visionär freilich mehr als getriebenen Egomanen denn als Technikgenie. Mit dem charismatischen Workaholic Michael Fassbender als Apple-Mastermind landete er jedoch einen Besetzungscoup. Zu Recht wird der deutsch-irische Schauspieler deshalb bereits als Oscar-Kandidat gehandelt.

Webseite: wwww.stevejobsthefilm.com

USA 2015
Regie: Danny Boyle
Drehbuch: Aaron Sorkin
Darsteller: Michael Fassbender, Kate Winslet, Seth Rogen, Jeff Daniels, Katherine Waterson, Perla Haney-Jardine, Makenzie Moss, Ripley Sobo ,Michael Stuhlbarg.
Länge: 122 Minuten
Verleih: Universal Pictures
Kinostart: 15. November 2015
 

FILMKRITIK:

Ende Januar 1984: Apple-Mastermind Steve Jobs (Michael Fassbender) steht vor seinem ersten spektakulären Auftritt. Stolz will der 29jährige den ersten Bürger-Computer und eine Weltsensation, die über zwei Millionen Mal verkauft wird, vorstellen. Jobs möchte aus Computern ein Instrument der Befreiung machen, zugänglich für jeden. In dieser schon bis zum Zerreißen angespannten Situation treten plötzlich technische Probleme auf. Autoritär und despotisch versucht der ehemalige Hippie sie zu lösen. Nach Wochen ohne Schlaf, um den Apple marktfähig zu machen, liegen die Nerven blank. Zudem erwartet ihn hinter der Bühne seine Ex-Freundin Chrisann (Katherine Waterson) mit der gemeinsamen fünfjährigen Tochter Lisa (Makenzie Moss).
Cholerisch leugnet der nervöse Visionär die nachgewiesene Vaterschaft. Auch die Namensgleichheit mit dem Apple-Computer Lisa sei reiner Zufall, behauptet er stur. In der Computergeschichte gilt der Lisa als erster kommerzielle Rechner mit grafischer Benutzeroberfläche und Maus. Seine Marketing-Chefin Joanna Hoffman (Kate Winslet) hat größte Mühe, den perfektionistischen Ästhet pünktlich auf die Bühne zu bringen. Auch Kumpel Steve Wozniak (Seth Rogen), sein Freund aus der Gegenkulturbewegung, mit dem er sein Unternehmen einst gründete, ist sauer. „Du bist kein Ingenieur. Du bist kein Designer. Du kannst nicht einmal einen Nagel in die Wand schlagen. Ich habe die Platine gebaut. Wie kommt es also, dass ich zehn Mal am Tag lese: Steve Jobs ist ein Genie! Was tust Du eigentlich?", lässt er seinen Frust ab.

Vier Jahre später ist der inzwischen 33-Jährige nicht mehr Herr im Hause Apple. Der von ihm bestellte CEO John Sculley (Jeff Daniels), den er mit viel Mühe von Pepsi Cola abwarb und für ihn fast eine Vaterfigur darstellt, feuert ihn. Es kommt zum Showdown. Doch seine geliebte Computerwelt gibt er nicht auf. Hartnäckig will er jetzt mit dem NeXT-Computer zeigen, wer die besseren, die perfekten Geräte baut. Loyal bis zum äußersten ist die kämpferische PR-Managerin Joanna immer noch an seiner Seite. Und erneut taucht seine inzwischen neunjährige Tochter (Ripley Sobo) auf. Den großen Auftritt ihres Vaters will das intelligente Mädchen unbedingt in seiner Nähe erleben. Der aber bekommt plötzlich erzieherische Anwandlungen und ermahnt sie, die Schule nicht zu schwänzen.

Die schwierige Vater-Tochter-Beziehung zieht sich wie ein roter Faden durch alle Episoden der globalen Erfolgssaga. Auch im dritten Teil spielt sie als moralisches Zentrum eine wichtige Rolle. Im August 1998 holt der schwer angeschlagene Konzern den instinktsicheren Firmenlenker zurück. Der Apple-Kult lebt wieder auf. Der schick designte iMac wird vorgestellt. Jobs Kommunikationsidee „Think different“ macht die Kunden erneut zu Verbündeten, zu Rebellen gegen den Mainstream, gegen Microsoft und für die eigene Individualität. Und hier nun kommt es bei der Begegnung mit der mittlerweile 19jährigen Lisa (Perla Haney-Jardine) zum emotionalen Schlüsselmoment, der fast einer erlösenden Katharsis gleicht.

Den dramatischen Ausflug quer durch Steve Jobs Geschäftsleben inszeniert der britische Regisseur Danny Boyle („Trainspotting“ und „Slumdog Millionär“) als eine Art dialogstarkes Kammerspiel in klaustrophoben Gängen und Hinterzimmern. Immer wieder scheint bei der visuellen Tour de Force das Getriebene, oft wenig sympathisch Egomanische des Apple-Gründers auf. Mal wirkt der geniale Apple-Gründer wie ein trotziges Kind, dann wie ein gewiefter Manipulator, der seine Emotionen nicht immer im Griff hat und für den Empathie ein Fremdwort scheint. Gekonnt arbeitet Boyles orchestral abgestimmte Charakterstudie dabei mit flashartigen Zeitsprüngen innerhalb einer Szene. Selbst kurze Rückblenden auf die berühmte Garage in Cupertino im kalifornischen Los Altos fehlen nicht.

Fast wie der legendäre Kultklassiker „Citizen Kane“, ein Meilenstein der Filmgeschichte in seiner anekdotischen Erzähltechnik, besitzt Boyles fesselndes Tech-Biopic keine eindeutige Identifikationsfigur und lässt emotionale Anteilnahme vermissen. Gleichzeitig zeigt es, ähnlich wie in Paul Thomas Andersons schroffen Ölsucherdrama „There will be blood“, ein Element des amerikanischen Gründungsmythos: den visionären Pionier, der unbeirrt an seiner Geschäftsidee festhält und einen Konzern aufbaut. Ein Mann, der getrieben auf sein Ziel zusteuert und sich von nichts aufhalten lässt. Trotzdem kämpfte das lang geplante Filmprojekt, dessen Drehbuchautor Aaron Sorkin („The Social Network“)  sich lose an dem Bestseller des früheren Time-Chefredakteurs Walter Isaacson orientiert, mit etlichen Schwierigkeiten. Zwischenzeitlich wurde es sogar auf Eis gelegt. Und das obwohl das Leben des Apple-Gründers voller Geschichten, Dramen und Triumphe ist, wie gemacht für einen Hollywoodfilm.

Vor allem die Besetzung der Hauptrolle bereitete den Produzenten Kopfschmerzen. Doch mit Michael Fassbender, der nicht umsonst als Schauspieler der Stunde gilt, gewinnt das rasante Tech-Biopic an Tiefe. Der 38jährige Deutsch-Ire liest Drehbücher wieder und wieder, bereitet sich akribisch vor – um sich dann in die Rolle wie in ein Extremabenteuer zu stürzen. Immer aufs Neue geht der Wandlungsfähige dabei an die physischen und seelischen Grenzen der Condition humaine. Mutig und rückhaltlos lotet er auch die dunklen Seiten der menschlichen Existenz aus. Freilich profitiert sein genialer Auftritt auch von dem grandiosen Zusammenspiel mit dem brillanten Titanic-Star Kate Winslet. Die Oscarpreisträgerin überzeugt dabei jede Sekunde.

Luitgard Koch
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