Strajk – Die Heldin von Danzig

Zum Vergrößern klicken

Eine Ballade nennt Volker Schlöndorff seinen auf wahren Begebenheiten beruhenden Film über die Anfänge der polnischen Gewerkschaft Solidarnosc. Die glänzende Katharina Thalbach spielt die Schweißerin Agnieszka, die ohne es wirklich zu wollen zu einer der wichtigsten Figuren im Kampf gegen das System wird und sich im Laufe des Films von einer vielfach ausgezeichneten Heldin der Arbeit zu einer Heldin der Arbeiter entwickelt.

Webseite: www.strajk-derfilm.de

Deutschland/Polen 2006
Regie: Volker Schlöndorff
Buch: Andreas Pflüger, Sylke Rene Meyer
Musik: Jean Michel Jarre
Darsteller: Katharina Thalbach, Andrzej Chyra, Dominique Horwitz, Andrzej Grabowski, Dariusz Kowalski
104 Minuten: Format 1:1,85
Verlieh: Progress Filmverleih
Kinostart: 8. März

PRESSESTIMMEN:

Leidenschaftliche, preisgekrönte Rekonstruktion der Ereignisse, die zur Gründung von Solidarnosc führten.
Große Geschichte verhandelt Volker Schlöndorff hier, doch er tut es beiläufig, ohne Pathos und auf angenehm kunstlose Weise... Stets wirkt Katharina Thalbach authentisch, ein Naturereignis, so energisch, so naiv, und voller Mutterwitz.
Cinema

FILMKRITIK:

Danzig, 1961. Auf der wichtigsten polnischen Werft ist Agnieszka (Katharina Thalbach) eine Vorzeigearbeiterin. Das Plansoll erfüllt sie schon Mal mit 270%, was der kleinen, resoluten Frau immer neue Auszeichnungen des Betriebsrat, aber auch unwirsche Blicke ihrer Kolleginnen einbringt, die einem anderen Motto folgen: „Die tun so, als würden sie uns bezahlen, wir tun so als ob wir arbeiten würden.“ Allein mit ihrem Sohn lebt Agnieszka in einem Plattenbau und kümmert sich nicht um Politik. Doch das Schicksal, so scheint es, hat anderes mit ihr vorgesehen. Selbst eine Krebserkrankung übersteht sie, den Tod ihres neuen Mannes Kazimierz (Dominique Horowitz) erträgt sie, ganz wie sich das für eine Ballade gehört. Allein ihrem Gewissen und ihrem Gerechtigkeitssinn folgend wird Agnieszka immer tiefer in die sich entwickelnde Arbeiterbewegung involviert. Erst geht es nur um eine verlängerte Mittagspause und um fehlende Toiletten, schnell jedoch wird der Einsatz höher. Bei einem ersten Streik im Jahre 1970 sterben schon etliche Arbeiter, der eigentliche Kampf, der in der Gründung der Solidarnosc kulminiert und den Elektriker Lech (Andrzej Chyra) zum Führer der polnischen Unabhängigkeitsbewegung machen wird, steht noch bevor.
Erneut zieht es Volker Schlöndorff in die polnische Hafenstadt Danzig, wo er schon für seinen größten Erfolg Die Blechtrommel drehte. Nicht zuletzt durch diese Erfahrung, die ihn Ende der 70er Jahre unmittelbarer Zeuge der sich aufheizenden Situation werden ließ, dürften Ausgangspunkt für diesen Film gewesen sein. Vor allem aber die faszinierende Lebensgeschichte einer Frau, die mit ihrem unbestechlichen Gerechtigkeitssinn Katalysator für einschneidende Entwicklungen war, ohne jemals einen Platz im Rampenlicht zu wollen.
Eine der Stärken des Films ist das Schlöndorff und seine Drehbuchautoren die Bescheidenheit Agnieszkas weder zu einem heroischen Akt stilisieren, noch ihr Dasein außerhalb des Rampenlichts bedauern. Katharina Thalbach spielt ihre Rolle mit großer Emphase ohne in falsches Pathos abzugleiten. Ihre Agnieszka agiert völlig ohne Hintergedanken, ohne über die Folgen ihres Handelns nachzudenken, ohne sich um diplomatische Lösungen zu bemühen, sondern aus dem einfachen Wissen heraus, dass es das Richtige ist. Das hätte zu einem naiven Gutmenschenfilm ausarten können, der den Glauben an die Möglichkeit des Einzelnen auf absurde Weise überhöht. Unter Schlöndorffs zurückgehaltener Regie, die immer wieder Dokumentaraufnahmen zwischen die gespielten Szenen schneidet, wird daraus ein mitreißendes Plädoyer für die Freiheit. Bei aller Begeisterung für das erreichte ignoriert Schlöndorff jedoch nicht, dass auch die Demokratisierung ihren Preis hatte. Auch der Kapitalismus fordert Opfer und kann nicht alle Übel beheben, und so endet der Film mit dem melancholischen Bild der echten Agnieszka, wie sie, eine inzwischen greise, bucklige Frau, am Strand von Danzig spaziert, im Hintergrund die Krananlagen der Werft, für die sie so viel gegeben hat.

Michael Meyns

 

 

Polen, 70er bis 90er Jahre. Die Kommunisten haben das Land fest im Griff. Auch auf der Danziger Lenin-Werft. Die Gewerkschaft, die normalerweise auf der Seite der Arbeiter stehen müsste, ist der regimetreuen Betriebsleitung unterworfen. Die Arbeitsbedingungen sind hart. Nicht gerade die modernsten Maschinen stehen zur Verfügung. Die Arbeitsnormen sind unerbittlich, Überstunden an der Tagesordnung. Bezahlt wird mäßig. Hauptsache die Normen werden erfüllt.

Im Vordergrund des Films steht die auf Tatsachen beruhende Geschichte einer Frau. Privat ist ihr Leben auf ihren kleinen Sohn und ihren Mann ausgerichtet, den sie innig liebt, aber durch einen Herzinfarkt verliert. Beruflich hat sie sich zur Kranführerin emporgearbeitet, mehrfach schon wurde sie als „Heldin der Arbeit“ ausgezeichnet.

Ungerecht behandeln, benachteiligen und verbiegen lässt sie sich nicht. So sehr rebelliert sie schließlich, dass sie entlassen wird. Das aber ist der Auslöser für einen Streik, dem sich in der Werft Tausende anschließen und der schließlich auf ganz Polen übergreift. Das Regime muss nachgeben, die Gewerkschaft „Solidarität“ wird gegründet, die Arbeitsbedingungen werden verbessert.

So tiefgreifend ist im Laufe der Jahre die Wirkung, dass das Geschehen letztlich den Kommunismus das Leben kostet. Zwar gab es noch Rückschläge wie z.B. die Verhängung des Kriegsrechts unter General Jaruzelski, doch der Befreiungs- und Demokratisierungsprozess war nicht mehr aufzuhalten, eine Entwicklung, zu der auch die Wahl eines Polen ins Papstamt beitrug.

Volker Schlöndorff hat das alles in einem dokumentarischen Spielfilm festgehalten: historisch weitgehend wahr, politisch den Tatsachen entsprechend, formal überzeugend. Immer wieder sind in die Spielfilmszenen Bilder aus der damaligen Zeit montiert.

Die treibende Kraft der Streiks und schließlich der Rebellion war die Kranführerin Agnieszka (Anna im Film) und nicht Lech Walesa. Auch das wird hier klar. Walesa konnte letztlich in seine berühmte Rolle deshalb schlüpfen, weil man als Anführer der Streik- und Befreiungsbewegung einen Mann brauchte.

Ein besonderes Lob verdient Katharina Thalbach als Kranführerin. Eine durchgehend starke Leistung. Auch Dominique Horwitz als Ehemann macht sich in dieser engagierten deutsch-polnischen Produktion sehr gut.

Ein sehenswerter, geschichtlich lehrreicher und menschlich beispielhafter Film, der zeigt, was ein Einzelner bewirken kann, wenn er mutig genug ist.

Thomas Engel