Submarine

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„Submarine“ erzählt aus der Perspektive des Teenagers Oliver Tate eine schräge Coming-of-age Komödie irgendwann so um die 80er Jahre herum in Wales. Es geht um die erste Beziehung, die Sorge um die Ehe der Eltern und um die Frage, wie man unglaublich cool und intellektuell sein kann während man doch gleichzeitig einfach bloß beliebt sein möchte. Oliver Tate hat seine eigene Weltsicht, die mit der Realität nur gelegentlich etwas zu tun hat. Seine holprige Reise zu ein bisschen mehr Selbsterkenntnis hat Regisseur und Stand-up Comedian Richard Aoyade mit exzellentem Timing und jeder Menge skurrilen Einfällen inszeniert. Das ist wunderbar komisch, aber auch sehr liebevoll, was auch den beschwingten Herbstbildern von Eric Wilson und den sehnsüchtigen Songs von Arctic Monkeys Sänger Alex Turner zu verdanken ist.

Webseite: www.submarine-film.de 

Großbritannien 2010
Buch und Regie: Richard Ayoade
Kamera: Erik Wilson
Darsteller: Craig Roberts, Sally Hawkins, Paddy Considine, Jasmin Paige, Noah Taylor
Länge: 94 Minuten
Verleih: Kool Film
Kinostart: 17. November 2011

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Es gibt Teenager wie Greg Heffley („Gregs Tagebuch“) oder Hanni und Nanni, die vor allem eins sein wollen: wie alle anderen und bei allen beliebt. Und dann gibt es Teenager wie Harold („Harold und Maude“), Adrian Mole oder Becky und Enid („Ghost World“). Teenager, die auf keinen Fall wie die anderen sein möchten und das Radikale, Morbide und Abseitige für sich entdecken. Oliver Tate mit Pilzkopf-Frisur und Dufflecoat möchte zur zweiten Gruppe gehören. Er sieht gerne aufs Meer, liest französische Romane, und hat eine Pfeiffen- und Hutphase hinter sich. Er ist in Jordana mit dem schwarzen Bubikopf und dem roten Dufflecoat verliebt und rechnet sich Chancen aus, da Jordana „ebenfalls nur so mittelbeliebt ist“.

Insgeheim aber ist Oliver ein kleiner selbstbezogener Opportunist, mehr Adrian Mole als Enid. Gerne malt er sich seine Beerdigung aus und die Erschütterung, die sie bei den Klassenkameraden und in ganz Wales auslösen würde. Die Tränen, die Kerzen und Blumen und die Berichterstattung in den Nachrichten. Obsessiv spioniert er seinen Eltern hinterher, deren Beziehung eine tiefe Krise durchmacht. Während Olivers Vater Lloyd (wunderbar trocken: Noah Taylor), ein depressiver Meeresbiologe zuhause hinter den neuen Doppelglasfenstern sitzt und Zitronentee trinkt, trifft sich seine verhuschte Mutter (kongenial gespielt von Sally Hawkins) mit ihrem New-Age-Guru-Exfreund Graham, der über einen VW-Bus mit Lightshow und eine erschütternde Vokuhila-Frisur verfügt. Als Jordanas Mutter an Krebs erkrankt, zieht sich Oliver, völlig überfordert, zurück.

Wie seine Eltern ist Oliver zugleich unerträglich, sehr komisch und sehr sehr rührend. Während er auf der Tonebene seine verkopften Theorien und verqueren Analysen ausbreitet, sprechen die Bilder eine andere Sprache. So etwa, als Oliver Jordana eine Stunde zu früh ins Programmkino zerrt („um einen guten Platz zu bekommen“) und stapelweise mit Literatur versorgt („damit sie sich unterhalten können“). Nur wenig später sieht man die beiden wieder aus dem Kino kommen während Jordana sich lauthals beschert: „There wasn’t even sound!“.

Insgesamt ist der Film dabei natürlich auf Olivers Seite und voller Sympathie für dessen Fantasien, die er liebevoll und farbenfroh ausmalt und mit melancholisch freundlichen Songs von Arctic Monkey-Sänger Alex Turner unterlegt. Und er gönnt ihm das Happy-End einer unkonventionellen Liebesgeschichte, von der wohl alle nerdigen Teenager mal geträumt haben. Jemanden zu finden, mit dem man auf Industriebrachen starren, Haare abfackeln und einvernehmlich unsentimental sein kann.

Die Super-8-Aufnahmen, das Mix-Tape, das Olivers Vater ihm anlässlich seiner ersten Freundin schenkt (Seit : 1 Liebeslieder, Seite 2: Trennungssongs) und die pastellfarbenen bodenlangen Röcke seiner Mutter siedeln „Submarine“ vage in den 80er Jahren an. Der Gesamteindruck ist aber eher der einer völlig eigenen Welt. Und die Nostalgie, die durch den Film weht, scheint keiner bestimmten Zeit zu gelten, sondern eher einem Gefühl, zusammengesetzt aus Herbst, Meer, Träumen, einbrechender Wirklichkeit und gerade noch vorhandener Geborgenheit.

Hendrike Bake


Die Ehe der Eltern kriselt, eine Freundin ist nicht in Sicht und der Rest des Daseins eher langweilig. Manchmal wünscht sich der 15-jährige Oliver, das Leben wäre mehr wie eine soap opera. Wie alle Heranwachsenden entdeckt er, dass das schwierig wird. Als Erzähler in eigener Sache führt er durch sein Leben – ebenso altklug wie mit begrenztem Durchblick und einer gewissen Eitelkeit, die „Submarine“-Regisseur Richard Ayoade in seinem ansonsten bemerkenswerten Film in manchen überstilisierten Passagen auch an den Tag legt.

Die Themen in Coming-of-age-Filmen sind hinlänglich bekannt. Wer da etwas Neues erzählen will, muss es über die Form tun. Der britische Schauspieler und Musikvideo-Regisseur Richard Ayoade lässt in seinem Spielfilm-Debüt, das nach dem Roman von Joe Dunthorne entstand, reichlich Stilwillen und dramaturgische Finesse erkennen. Vieles, was an diesem Film Spaß macht, rührt daher, dass die Hauptfigur das Geschehen aus dem Off erläutert und kommentiert – eine aus mehreren Gründen stimmige Erzählperspektive. Denn Oliver (Craig Roberts), der in einem walisischen Küstenort aufwächst, zeichnet eine altersangemessene Wortkargkeit aus. Aus seinen Kommentaren erfährt man vieles über seine Persönlichkeit und die Dinge, die ihn umtreiben. Am amüsantesten wird es immer dann, wenn die Einlassungen des 15-Jährigen und die parallel laufenden Bilder auseinanderdriften. Oliver leidet, wie das in seinem Alter so ist, an altkluger Selbstüberschätzung, obwohl er das, was um ihn herum vorgeht, allenfalls halb versteht, oft aber falsch interpretiert. Kein Wunder in einer Entwicklungsphase, in der vieles ungewöhnlich ist, weil man es zum ersten Mal erlebt. Das betrifft Olivers schräge Versuche, die Ehe seiner Eltern zu kitten, weil er, da ist er noch ganz Kind, zu Hause keine Veränderungen möchte. Vor allem aber seine Annäherung an die hübsche Jordana ist geprägt von Missverständnissen und tapsigen Fehltritten. Stimmig sind die Off-Kommentare aber auch deswegen, weil sie die Erwachsenen-Perspektive etablieren. Denn Oliver spricht zwar mit jugendlicher Stimme, aber offenkundig im Rückblick, wie jemand, der sich irgendwann später erinnert und diese Erinnerungen buchstäblich wie einen Film zusammenbastelt.

Diese zeitliche Ambivalenz ist auch sonst sichtbar. Der Roman spielt in den achtziger Jahren. Regisseur Ayoade legt sich in seinen Bildern hingegen nicht fest. Der Film scheint nahe an der Gegenwart angesiedelt zu sein, die Frisuren der beiden Hauptfiguren – Oliver hat eine Pilzkopf-, Jordana eine Bob-Frisur -, verweisen jedoch ebenso wie die Kleidung auf die sechziger Jahre. Vielleicht ein Hinweis auf die Zeitlosigkeit jugendlicher Dramen, die von erster Liebe über Selbstfindung und Weltschmerz bis zur Ablösung von den Eltern immer dieselben sind. Oliver hinterlässt auch deswegen Eindruck, weil er nicht nur ein etwas skurriler, aber netter Typ ist, der im jugendlichen Nebel seinen Weg sucht. Er zeigt auch unangenehme Seiten, als er sich am Mobbing einer übergewichtigen Schülerin beteiligt, seine angehende Freundin in einer schwierigen Lage hängen lässt und penetrant im Leben seiner Eltern herumfuhrwerkt. Das macht den Jungen mit dem Wuschelkopf nicht sympathischer, ist aber näher dran am Leben. So viel Aufmerksamkeit wie den beiden Hauptfiguren kann den anderen Figuren naturgemäß nicht zuteil werden. Eindimensional müssen sie trotzdem nicht sein. Leider ist Olivers Mutter Jill (Sally Hawkins) in jeder Sekunde frustriert, Vater Lloyd (Noah Taylor) stets deprimiert und und der esoterische Guru Graham (Paddie Considine), den Oliver als Liebhaber seiner Mutter im Verdacht hat, dauernd überdreht. Schade, dass gerade Sally Hawkins, deren Fähigkeiten seit „Happy-Go-Lucky“ international bekannt sind, in ihrer Rolle solche Fesseln angelegt wurden.

Gleichwohl hält etwa der englische „Guardian“ Richard Ayoade bereits für „eine neue Stimme im britischen Film“. Zweifellos fängt der Regisseur mit seiner sehr eigenen Erzählweise elegant das Leiden und die schwierigen Umbrüche im Leben seiner jugendlichen Helden ein, erliegt aber manchmal deren Hybris. Ayoades visuelle Einfälle wirken bisweilen so, als wolle er zeigen, wie gut er ist. Aber ein paar Kranfahrten, Zooms und Splitscreens weniger hätten seinem Film gut getan. Und bei allem berechtigten Lob für die „neue Stimme“ – es gibt Brüder im Geiste. Man denke nur an den Erzählton Wes Andersons oder Jonathan Daytons und Valerie Faris’ Familien-Film „Little Miss Sunshine“. Darin spielt ein halbwüchsiger Sohn eine wichtige Rolle, der nicht nur wortkarg ist, sondern gar nicht redet und zum selben Friseur wie Oliver zu gehen scheint.

Volker Mazassek

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