Sultanas Traum

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Ein spanischer Zeichentrickfilm, der auf einer Science-Fiction-Geschichte aus dem Jahr 1905 basiert, die von einer Frau geschrieben wurde – ungewöhnlicher kann eine Kombination wohl kaum sein. Ebenso ungewöhnlich ist dieser Film, der von Sultana erzählt, die nach einem utopischen Land – dem Ladyland – sucht, in dem es keine Männer gibt.

Webseite: https://luftkindfilmverleih.net/

El sueño de la sultana
Spanien/Deutschland 2023
Regie: Isabel Herguera
Buch: Isabel Herguera, Gianmarco Serra
Darsteller: Miren Arrieta, Mary Beard, Roberto Bessi

Länge: 83 Minuten
Verleih: Luftkind Filmverleih
Kinostart: 7. März 2024

FILMKRITIK:

Sultanas Traum ist einer, der nicht auf Indien spezifisch anzuwenden ist, sondern universell gilt. Denn sie findet sich in einer Frauenwelt wieder, in der der Schleier nicht mehr zu tragen ist und aus der die Männer zum Wohle aller verstoßen wurden. Die Frauen behaupten sich in dieser Welt selbst. Sie haben gelernt, die Sonnenenergie und die Wasserkraft zu nutzen. Es gibt keine Katastrophen, keine Kriminalität und keinen Krieg mehr. Es ist ein Paradies.

Die Autorin der Romanvorlage musste selbst einen Purdah, das bengalische Äquivalent zur Burka tragen und war zeitlebens eine Aktivistin dagegen. Sie schrieb auch diese Geschichte vom Traum einer besseren Welt, wobei faszinierend ist, wie sie ökologische Techniken voraussah und eine Welt ersann, in der Mensch und Natur in Einklang existieren. Es ist Science-Fiction, aber auch Social-Fiction, und eine der ersten dieser Art, die von einer Frau geschrieben wurde. Die filmische Umsetzung ist nicht minder faszinierend.

Denn die spanisch-deutsche Ko-Produktion ist wunderschön umgesetzt. Der Zeichenstil ist gänzlich anders, als alles, was man ansonsten in Sachen Animation im Kino zu sehen bekommt, und das nicht nur, weil dies eine Geschichte für ein erwachsenes Publikum ist. Der Stil ist atemberaubend, düster, in mancherlei Hinsicht wirkt er roh und simpel, aber das ist die Kunst dahinter. Denn „Sultanas Traum“ in dieser Form zu produzieren, hat sicherlich viel Geld und sehr viel Leidenschaft gekostet. Das Ergebnis ist ein visueller Traum. Die Entscheidung, die Geschichte so umzusetzen, ist nur zu begrüßen, denn „Sultanas Traum“ hätte auch problemlos als Realfilm gedreht werden können.

Nur: Inhaltlich kann „Sultanas Traum“ nicht ganz mithalten. Die Geschichte ist interessant, sie lässt aber etwas Kohärenz vermissen. Sie mäandert und schafft es nicht, auf einer narrativen Ebene zu bleiben. Das ist insofern schade, weil die Geschichte durchaus mehr hergibt. In Hinblick auf den Blick in die Zukunft, der vor mehr als 100 Jahren gewagt wurde, aber auch dahingehend, dass sie eine enorme Aktualität besitzt. Die wird nicht dadurch erreicht, dass die Suche nach dem Ladyland im Hier und Heute spielt, sondern durch den Umstand, dass Frauen noch immer in einem Patriarchat leben. Der Weg zu echter Gleichberechtigung ist noch weit.

Damit hat der Film nicht nur eine gewisse Gültigkeit in Hinblick auf die indische Gesellschaft. Er ist durchaus universell zu verstehen, insbesondere in seinem Traum von einer besseren Welt. Natürlich, eine nicht zu leugnende Schwarzweißzeichnung findet schon statt. Die ergibt sich aus den Erfahrungen der Autorin zu Beginn des letzten Jahrhunderts und ist in der Form nicht länger gültig. Und doch: Der Film gemahnt daran, dass der Weg zu echter Gleichberechtigung noch lange nicht sein Ende erreicht hat.

 

Peter Osteried