Tanja – Tagebuch einer Guerillera

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Als Frau aus den Niederlanden bei den Guerilleros der kolumbianischen FARC. Natürlich sprangen westliche Medien auf diese Geschichte an, in deren Zentrum Tanja Nijemeijer stand, eine inzwischen 45jährige Frau. In seinem schnörkellosen Dokumentarfilm „Tanja – Tagebuch einer Guerillera“ versucht Marcel Mettelsiefen den Hintergründen für Nijmeijers Entscheidungen nahezukommen, ohne jedoch klare Antworten für die Grüne ihrer Entscheidung anzubieten.

Webseite: https://mindjazz-pictures.de/filme/tanja/

Deutschland 2023
Regie: Marcel Mettelsiefen
Buch: Mayte Carrasco
Dokumentarfilm

Länge: 84 Minuten
Verleih: 15. Juni 2023
Kinostart: mindjazz Pictures

FILMKRITIK:

„Naiif, maar wel lief“- „Naiv, aber süß“, steht in einem Klassenbuch neben einem Foto der jungen Tanja Nijmeijer und das trifft es ganz gut. 1978 geboren, in behüteten Verhältnissen aufgewachsen, zog es Nijmeijer Ende der 90er Jahre ausgerechnet nach Kolumbien. Dass dort ein Bürgerkrieg tobte, der im Laufe der Jahre hunderttausende Opfer forderte, dass Teile des südamerikanischen Landes durch die massenweise Produktion von Kokain unermesslich reich geworden waren, aber auch zum Spielball unterschiedlichster Interessen, all das wusste Nijmeijer nach eigener Aussage nicht.
Zunächst arbeitete sie als Englischlehrerin, nach einigen hin und her zwischen den Kontinenten zog sie 2003 endgültig nach Kolumbien und schloss sich der FARC an, einer marxistischen Untergrundorganisation, die nach eigenem Selbstverständnis für die Rechte der armen, ländlichen Bevölkerung kämpfte, in den Augen der Regierung aber schlicht und ergreifend Terroristen waren.

Was Nijmeijer in all den Jahren bei der FARC genau machte, welche Rolle sie spielte, kann auch Marcel Mettelsiefen in seinem Dokumentarfilm „Tanja – Tagebuch einer Guerillera“ nicht klären. Bekannt ist vor allem, dass Nijmeijer durch die Entdeckung ihres Tagebuchs zu nationaler und internationaler Berühmtheit gelangte. Veröffentlicht hat es die Journalistin Jineth Bedoya, die im Film bisweilen als eine Art Gegenpol zu Nijmeijer fungiert: Zwei Frauen, die eine Vergewaltigungsopfer der FARC, die andere durch ihre Mitgliedschaft in der FARC ganz gewiss Täterin, aber vielleicht auch selbst ein Opfer? Sich selbst bezeichnet Nijmeijer zwar nicht so, auch ihre Eltern und eine alte Freundin, die ebenfalls zu Wort kommen, scheinen sie als autarke Person zu betrachten, die stets wusste, was sie wollte und vor allem wusste, worauf sie sich in Kolumbien einließ.

Nur was war das? Mit jugendlichem Eifer, von liberalen Idealen geleitet, in die Fremde gehen, bewusst Teil eines Bürgerkriegs werden, dessen Ursachen kompliziert sind und von dem sie zunächst gar nichts wusste? Absurd mutet das an, weltfremd viele Aussagen Nijmeijers, die einmal sagt: „Als meine Tagebücher veröffentlicht wurden, hatte ich das starke Gefühl, als Revolutionärin versagt zu haben.“ Hier könnte man ein typischen weißes, westliches Helfersyndrom diagnostizieren, das viele Menschen im Westen erfasst, meist aber nur zur freiwilligen Arbeit in NGOs oder Ähnlichem führt. Das richtet zwar oft auch ungewollt Schaden an, ist aber doch ein anderes Level, als sich gleich dem bewaffneten Kampf anzuschließen.

Interessante Parallelen zur legendären Tamara Bunke tun sich hier auf, jener jungen Frau aus Ostdeutschland, die Anfang der 60er Jahre nach Kuba ging, Fidel Castro kennenlernte, sich der Revolution anschloss und später an der Seite von Che Guevara in Bolivien ums Leben kam. Was junge, fraglos idealistische Frauen in weit entfernte Länder zieht, um an der Seite von Kalaschnikows tragenden Männern in den Krieg zu ziehen wäre eine spannende Frage. Marcel Mettelsiefen beschränkt sich jedoch darauf, die seltsame Geschichte der Tanja Nijmeijer nachzuzeichnen, pragmatisch und schnörkellos. Einer Antwort auf die Frage nach dem warum kommt er dabei zwar nicht nahe, aber das wie ist schon so besonders, dass „Tanja – Tagebuch einer Guerillera“ ein sehenswerter Dokumentarfilm geworden ist.

Michael Meyns