Taste the Waste

Zum Vergrößern klicken

Welche Massen an Lebensmitteln unsere modernen Überflussgesellschaften verschwenden, zeigt Valentin Thurn in seiner Dokumentation „Taste the Waste.“ Vielfältige Beispiele aus aller Welt trägt Thurn zusammen, beschränkt sich aber nicht auf die bloße Lebensmittelverschwendung, sondern zeigt auch die weitreichenden Folgen für Umwelt und Weltklima auf. Ein erschreckender Film, den jeder Verbraucher sehen müsste.

Webseite: www.taste-the-waste.de

Deutschland 2011 - Dokumentation
Regie, Buch: Valentin Thurn
Länge: 90 Minuten
Format: Digital
Verleih: W-film
Kinostart: 8. September 2011

PRESSESTIMMEN:

Der Müll, das Geld und der Tod ... Die Hälfte aller Lebensmittel in Europa werden weggeworfen. Das meiste davon endet im Müll, bevor es überhaupt den Verbraucher erreicht. Und fast niemand kennt das Ausmaß der Verschwendung. Gleichzeitig verhungern täglich tausende Menschen. Vier Jahre lang hat der Filmemacher und Buchautor Valentin Thurn die globale Lebensmittelverschwendung untersucht. Sein Film Taste The Waste dokumentiert diesen Wahnsinn.
3SAT Kulturzeit

Vier Millionen Menschen - mehr als die Hälfte der Bevölkerung Somalias - haben nicht genug zu essen. Rund 750.000 Menschen sind akut vom Tod bedroht. Gleichzeitig landet weltweit ein Drittel aller Lebensmittel nicht auf dem Esstisch, sondern im Müll. In Deutschland soll es sogar die Hälfte sein. Und allein von der Nahrung, die in Europa weggeworfen wird, könnten theoretisch alle Hungernden der Erde satt werden. Valentin Thurn hat über die große Verschwendung einen Film gedreht.
ARD Tagesthemen

FILMKRITIK:

Es sind erschreckende, abstoßende Bilder und Fakten, die Valentin Thurn in seiner Dokumentation „Taste the Waste“ zusammenträgt. Bilder, die jedem Horrorfilm Ehre machen würden, mit dem Unterschied, dass es hier nicht um Fiktion geht, sondern um die traurige, tägliche Realität der modernen Überflussgesellschaften. Speziell die Verschwendung von Lebensmitteln zeigt Thurn auf, an Beispielen aus unter anderem Frankreich, Deutschland, Amerika und Japan. Da sieht man Supermärkte, die erst in ein, zwei Tagen ablaufende Lebensmittel palettenweise aus dem Regal nehmen, Bauern, die Kartoffeln aussortieren, weil sie zu groß, klein oder einfach nicht schön geformt sind, Großbäcker, die Kiloweise Brot vernichten, weil Supermärkte und Verbraucher auch kurz vor Ladenschluss noch voll gefüllte Regale erwarten.

Es ist ein erschreckendes Bild der Verschwendung, das Thurn aufzeigt, ausgelöst durch die zunehmende Pingeligkeit der Verbraucher: Obst, das ein klein wenig eingedrückt ist, Gemüse, das nicht der idealen Form entspricht, Verpackungen, die ein wenig aufgerissen sind, Backwaren, die nicht mehr hundertprozentig frisch aussehen: alles landet auf dem Müll. So kommt es, das ein gewöhnlicher Supermarkt jährlich 500 Tonnen Abfall produziert oder ein Bauer rund 40% seiner Kartoffeln auf dem Feld zurücklassen muss. Man könnte diese Liste endlos fortführen, die Verschwendung kennt keine Grenzen.

Zum Glück belässt es Valentin Thurn nicht bei diesen reinen Negativbeispielen, sondern zeigt auch Wege auf, die Verschwendung einzudämmen bzw. das Weggeworfene zumindest etwas zu nutzen. So zeigt er eine Großbäckerei, die ihren Brotabfall zu Brennstoff verarbeitet und damit die Öfen heizt. Denn die Konsequenzen der Verschwendung liegen nicht einfach nur in weggeworfenen Produkten. Um das ganze Ausmaß der Misswirtschaft zu verstehen, müssen auch die Kosten der Produktion und der Lebensmittelvernichtung berücksichtigt werden. Der Energieaufwand, das Wasser, aber auch die Abgase, die für die dann weggeworfenen Lebensmittel verbraucht werden, tragen enorm zum Treibhauseffekt bei, die Verschwendung schadet der Erde also doppelt.

Zu erwarten, dass die Verbraucher ihre über lange Jahre entwickelten Verhaltensweisen so schnell ändern, dürfte utopisch sein. Und so zeigt Thurn im zweiten Teil seines Films Versuche auf, die Verschwendung zumindest einzudämmen: Seien es junge Leute, die sich aus den Mülltonnen der Supermärkte mit eigentlich noch brauchbarem, aber doch schon weggeworfenem bedienen – fraglos nicht wirklich eine Methode, die sich weit verbreiten wird – die angesprochene Verwendung von Brot als Heizmittel oder Versuche, mit den „Abfällen“ arme Menschen zu ernähren. Vor allem aber will dieser Film aufrütteln und ein Problem unserer industrialisierten Überflussgesellschaft aufzeigen. Er tut dies ohne anzuprangern, ohne polemisch zu werden. Das ist auch gar nicht nötig, die Perversion dieser Verschwendung ist auch so allzu offensichtlich, auch wenn sie in der breiten Öffentlichkeit kaum beachtet wird. Bleibt nur zu hoffen, dass dieser Film ein wenig zur fraglos schwierigen Veränderung beitragen kann.

Michael Meyns

Jährlich werden allein in der EU 90 Millionen Tonnen Lebensmittel entsorgt: auf dem Müll, in Kompostanlagen, in Verbrennungseinrichtungen. Tierfütterung mit Lebensmittel“abfällen“ ist EU-weit verboten. Also Nahrungsmittelverschwendung, während täglich unzählige Menschen in der Welt den Hungertod sterben.

Die traurige Tatsache als solche ist ja nicht unbekannt. Nur führt dieser Film sie wieder einmal drastisch vor Augen. Nicht nur in der EU geht es so zu, auch in Japan, auch in den Vereinigten Staaten.

Was ist schuld? Wer ist schuld? Mitentscheidend ist der Handel: Die Äpfel müssen 55 mm Durchmesser haben, die Gurken und Bananen sind zu krumm, die Kartoffeln zu klein oder zu groß, die Tomaten müssen den Standards entsprechen. In den USA werden gar die Tomatenfarbtöne per Computer gemessen, kontrolliert. Pure Perversion.

Aber nicht nur der Handel ist im Unrecht, wir Verbraucher sind es ebenfalls. Wir rümpfen die Nase, wir überbewerten das Verfallsdatum, wir sind Opfer des Überangebots, wir sortieren aus, wir gehen nicht nach der Ernährungsqualität sondern nach der Handelsqualität, wir verlangen Dutzende von Brotsorten, wir unterstützen die Lebensmittelvergeudungslogistik, wir verzehren Nahrungsmittel, die über Tausende von Kilometern zu uns hertransportiert werden.

Das gilt für Fleisch, für Fisch, für Obst und Gemüse, praktisch für alles. Umgekehrt müssen die Menschen in Kenia oder in Kamerun Nahrungsmittel teuer importieren. Wissenschaftler haben errechnet, dass man mit den Lebensmitteln, die „entsorgt“ werden, die Hungernden in der Welt ernähren könnte.

Der wichtige und informative wenn auch einfache Film ist kein netter Unterhaltungsfilm, sondern einer, der uns den Spiegel vor die Nase hält, der zum Nachdenken bringen müsste, der nicht unnötig ist, sondern bitter nötig, der uns vor Augen halten muss: Früher oder später wird der Fall eintreten, dass es so nicht mehr weitergehen kann. Die Erkenntnis dürfte unausweichlich sein.

Thomas Engel