Hat die Welt nicht langsam genug von Donald Trump mag man sich fragen, doch der ehemalige und vielleicht bald erneute Präsident der Vereinigten Staaten will einfach nicht verschwinden. Nun hat der iranisch-dänische Regisseur Ali Abbasi mit „The Apprentice“ einen Film über Trump gedreht, der unterhaltsam ist, aber seinem Sujet am Ende nur bedingt nahe kommt.
Kanada/Irland/USA/Dänemark 2024
Regie: Ali Abbasi
Buch: Gabriel Sherman
Darsteller: Sebastian Stan, Jeremy Strong, Maria Bakalova, Martin Donovan, Catherine McNally, Charlie Carrick
Länge: 120 Minuten
Verleih: DCM
Kinostart: demnächst
FILMKRITIK:
Spätestens seit Donald Trump im November 2016 zum Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt wurde, wird die Frage gestellt: Wer ist dieser Mann, was treibt ihn an, wie wurde er, was er ist? Zahlreiche Wegbegleiter haben gutes Geld damit verdient, ihren Blick auf einen Mann zu Papier zu bringen, der Politik und Gesellschaft seines Landes vielleicht mehr verändert hat, als je ein Politiker es schaffte. Dem Phänomen Trump wirklich auf den Grund zu gehen gelang jedoch keinem dieser Bücher, zumal sie oft entweder in wenig ernst zu nehmende küchenpsychologische Thesen abdrifteten, oder Trump mit so großer Innigkeit hassten, dass eine auch nur entfernt objektive Analyse ohnehin ausgeschlossen war.
Den Fehler, sein Subjekt von Anfang bis zum Ende ins bodenlose zu verdammen macht Ali Abbasi in seinem Film „The Apprentice“ nicht, im Gegenteil. Gerade zu Beginn des Films, Mitte der 70er Jahre, wenn der gerade einmal 27jährige Donald Trump (Sebastian Stan) noch am Anfang seiner Karriere steht, fast ein wenig Babyspeck im Gesicht hat, wirkt er geradezu schüchtern. Gerade im Vergleich zu dem Mann, der ihm beibrachte, wie man gewinnt: Roy Cohn (Jeremy Strong) von Beruf zwar Anwalt, aber eigentlich eher das, was man einen Fixer nennt, ein Mann, der Dinge erledigt oder aus der Welt schafft, mit welchen Methoden auch immer.
In einem privaten Club begegnen sich die beiden Männer, nein, sie finden sich, sie brauchen sich. Der eine hat Macht, der andere will sie, der eine sieht gut aus (früher wurde Trump tatsächlich oft mit Robert Redford verglichen…), der andere würde gern gut aussehen, der eine ist durch und durch Hetero, der andere schwul.
Wie der Svengali aus seinem Apprentice, seinem Lehrling, einen skrupellosen Immobilienhai macht, der schließlich nach viel größerer Macht strebt, erzählt Ali Abbasi mit langer Zeit mitreißender Energie. Auch wenn man die Stationen von Trumps Aufstieg bis etwa Mitte der 80er Jahre kennt – die ersten großen Bauprojekte, die schließlich zum Trump Tower führen, die Bekanntschaft mit dem tschechoslowakischen Model Ivana Zelníčková (Maria Bakalova), die seine erste Ehefrau werden wird, der ewige Wunsch, von seinem Vater Fred Trump (Martin Donovan) respektiert zu werden – schaut man dem wilden, zunehmend schamlosen und größenwahnsinnigen Treiben gerne zu.
Bis sich Trump irgendwann von Cohn distanziert und zu dem Widerling wird, den man seit Jahren zu genüge kennt. Einem Mann ohne Scham, wie es Ivana im Film einmal sagt, ein Mann, der seinem Bruder Freddy (Charlie Carrick) ein Bett in seiner Wohnung verweigert und ihn lieber ins Hotel schickt, der seinen Mentor, der 1986 an den Folgen von AIDS verstarb, zunehmend schnitt, der Ivana (angeblich) vergewaltigte, als sie sich über ihn lustig machte.
Wie viel Wahrheitsgehalt in diesen Geschichten steckt muss ein Rätsel bleiben. Anhand offen zugänglicher Quellen und nicht zuletzt Trumps eigenem Buch „Die Kunst des Deals“ schrieb der Journalist Gabriel Sherman ein dichtes Drehbuch, das viel abhakt, aber am Ende wie so viele vor ihm daran scheitert, Trump wirklich nahe zu kommen. Warum dieser anfangs noch etwas schüchterne, gar nicht so unsympathische Immobilienmakler, zu dem Widerling wurde, als der er am Ende beschrieben wird bleibt ein Rätsel.
Am Ende wird „The Apprentice“ vor allem Meinungen bestätigen: Wer Trump ohnehin verachtet, findet geügend Gründe, an dieser Ansicht festzuhalten, wer ihn schätzt, wird empört sein oder den Film ohnehin nicht sehen. So oder so einen Einfluss auf den 5. November, den Tag der Präsidentschaftswahl, wird Ali Abbasis Film eher nicht haben.
Michael Meyns