Manchmal formen sich die Teile eines Werkes zu etwas Größerem, manchmal stehen sie nebeneinander. Bertrand Bonellos „The Beast“ zählt zu letzterem, leider, denn die Teile seiner in drei Zeiten spielenden Meditation über die Liebe, Umweltzerstörung, der Gefahr von KI und manchem mehr faszinieren – formen aber nicht das große Ganze, das dem französischen Regisseur offenbar vorschwebte.
The Beast (La Bète)
Frankreich/ Kanada 2023
Regie: Bertrand Bonello
Buch: Bertrand Bonello, nach der Novelle "The Beast in the Jungle" von Henry James
Darsteller: Léa Seydoux, George MacKay, Guslagie Malanda, Dasha Nekrasova, Martin Scali, Élina Löwensohn, Marta Hoskins,
Länge: 146 Minuten
Verleih: Grandfilm
Kinostart: 10. Oktober 2024
FILMKRITIK:
1910, 2014 und 2044 spielt „The Beast“, in allen drei Zeitebenen sind Léa Seydoux und George MacKay zu sehen, wobei Seydoux die Hauptrolle spielt. Im Paris des frühen 20. Jahrhunderts spielt sie Gabrielle, die Frau eines Herstellers von lebensecht wirkenden Puppen, die bei einer ausladenden Feierlichkeit den reizenden Louis (MacKay) kennenlernt. Bei einer Führung durch die Puppenfabrik kommen die beiden ums Leben, als Folge des (realen) Hochwassers von 1910, das weite Teile von Paris unter Wasser setzte.
Im Jahre 2014 ist Gabrielle ein Model in Los Angeles, das von einer Karriere als Schauspielerin träumt. Um sich zu finanzieren hütet sie eine ausladende Villa und läuft dem selbst ernannten Incel Louis über den Weg, der schnell von ihr besessen ist und ihr Leben bedroht.
In der Zukunft hat Künstliche Intelligenz den Menschen als Arbeitskraft praktisch überflüssig gemacht. Nur wenn sich Menschen mittels eines Eingriffes von den überflüssigen Elementen ihrer DNA befreien, sie reinigen, haben sie noch die Möglichkeit, zu arbeiten. Gabrielle entschließt sich dazu, allerdings um den Preis, selbst ein weitestgehend emotionsloses Wesen zu werden.
Lose basiert „The Beast“ auf Henry James 1903 erschienener Novelle „The Beast in the Jungle“, die von einem Mann erzählt, der von Vorahnungen über zukünftige Katastrophen geplagt wird. Als konkreten Ausgangspunkt einer Interpretation sollte man dies jedoch kaum verstehen, zumindest scheinen die Figuren in der Welt von 1910 nur im Moment zu leben. Ob sie Figmente der Imagination der Figuren im Jahre 2044 zu verstehen sind? Oder als die früheren Leben, von denen ihre DNA gereinigt werden soll? Möglichkeiten, die Bonello offenlässt, Ansätze, die in den Raum gestellt, aber nicht ausgeführt werden.
Letztendlich ist das Wissen, das „The Beast“ lose auf einer Henry James-Novelle basiert ebenso irrelevant wie das Wissen, das die 2014-Episode, auf der realen Person Elliot Rodger basiert, einem selbsternannte Incel, also einem „unfreiwillig Zölibatären“, der 2014 sechs Menschen ermordete und ein misogynes Manifest veröffentlichte. Diese Figur, im Film also die Louis-Version des Jahres 2014, scheint am ehesten das Biest des Titels zu sein, allerdings wäre diese Interpretation für Bonello etwas zu simpel.
Vielmehr scheint für Bonello die Gesellschaft das Problem zu sein, die Menschheit an sich, die ihren Lebensraum zerstört, sich in virtuelle Welten zurückzieht und auf dem besten Weg ist, die Kontrolle an Künstliche Intelligenz abzugeben. Spannende, relevante Themen, keine Frage, die Bonello dieses Mal allerdings allzu fragmentarisch nebeneinanderstellt. Anders als in Filmen wie “Nocturama” und vor allem dem brillanten “Zombi Child”, der ebenfalls in verschiedenen Zeitebenen spielte, aber Themen und Motive leichtfüßig zusammenführte. „The Beast“ dagegen bleibt am Ende Stückwerk, kann in einzelnen Momenten begeistern, aber als großes Ganzes nur bedingt überzeugen.
Michael Meyns