The Bicycle

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Ein junges Paar verbringt einen gemeinsamen Sommer-Urlaub in der Stadt der Liebe: Paris. Was nach der gängigen Handlung eines Liebesfilms von der Stange klingt, ist eine untypische, erfrischende Geschichte geworden. Und von Jung-Regisseur Arne Körner ebenso unkonventionell inszeniert. Er unterläuft mit seiner Mischung aus melancholischer Romanze und Roadmovie, die Erwartungen des Zuschauers. Mit großer Beobachtungsgabe und anhand der geschickten Montage zweier paralleler Zeitebenen, lässt er diesen am allmählichen Scheitern einer Beziehung teilhaben.

Webseite: www.bicyclefilm.info

Deutschland, Frankreich 2015
Regie & Drehbuch: Arne Körner
Darsteller: Akin Sipal, Carla May Borgstrom, Jason Smith
Länge: 82 Minuten
Verleih: Against Reality Pictures
Kinostart: 12. Januar 2017

FILMKRITIK:

Der Hamburger Mark (Akin Sipal) und die Kanadierin Antonia (Carla May Borgstrom) führen eine Fernbeziehung, die von (Kommunikations-)Problemen gezeichnet ist. Die Ferien verbringen sie gemeinsam in der französischen Metropole Paris. Dort wollen sie ihre Beziehung auffrischen und sich ganz der ausgelassenen Stimmung des Pariser Sommers hingeben. Schon nach kurzem kommt es zu Meinungsverschiedenheiten und erstem Streit.  Noch schlimmer wird es, als Antonia Mark ein Fahrrad schenkt. Mark hasst Fahrradfahren, daher fällt das Paar endgültig in alte Verhaltensmuster zurück. In Hamburg angekommen, entscheidet sich Mark aber dennoch bald darauf, nach Paris zurückzufahren – auf dem ungeliebten Fahrrad.

„The Bicycle“ ist das Spielfilm-Debüt des 30-jährigen Hamburger Filmemachers Arne Körner. Der gelernte Bäcker und Tontechniker durchlief von 2009 bis 2015 ein Filmstudium an der Kunsthochschule für Bildende Künste in seiner Heimatstadt. Während dieser Zeit gründete er mit zwei Freunden die Produktionsfirma Against Reality Pictures. Einer dieser Freunde: Akin Sipal, der die Hauptrolle in „The Bicycle“ spielt. Die Mischung aus Romanze und Roadmovie erlebte seine Weltpremiere auf dem World Film Festival in Montreal 2015. Die Deutschlandpremiere feierte der Film Ende 2015 bei den Hofer Filmtagen.

Paris und ein junges Paar – das klingt nach einer klassischen, allzu oft gesehenen Romanze vom Reißbrett mit viel Kitsch und einem schnulzigen Happy End. Nicht so aber „The Bicycle“, der jegliche Erwartungen des Zuschauers konsequent unterläuft. Das fängt schon bei der Erzählweise an. Der Film beginnt mit Bildern von Mark, der sich auf dem (verhassten) Fahrrad nach Paris aufmacht. Im Hintergrund singt eine Frauenstimme passend dazu „I want to ride you now“. Bald wird klar: die Szenen, die ihn und seine Freundin wenig später in Paris zeigen, sind seine Erinnerungen an den vergangenen Sommer.

Hier schafft Regisseur Körner eine interessante Parallelwelt. Und das auch optisch, durch stimmige und ausgewogene Montage: auf der einen Seite die in warme Farbtöne getauchten und in behutsamen Einstellungen eingefangenen Bilder in Paris. Anderseits die kühl-distanzierten und visuell eher düsteren Aufnahmen von ihm auf dem Fahrrad in Hamburg bzw. Deutschland.

Den Zuschauer verfrachtet Körner durch die Handkamera mitten hinein ins Geschehen. Fast auf dokumentarische Art und Weise nähert er sich dem Paar und ist immer ganz dicht bei ihnen. Als Zuschauer begleitet man den eher zurückhaltenden, rationalen Mark und die lebensfrohe, extrovertierte Antonia durch das bunte Treiben der pulsierenden Stadt: auf ein Straßenfest, beim Shoppen, beim obligatorischen Aufstieg auf den Eiffelturm.

Bald aber zeigen sich zwischen ihnen zunehmende Verständigungsprobleme. Liegt es an den unterschiedlichen Sprachen oder sind es die ganz normalen Dispute in der Kommunikation zwischen Mann und Frau? Der Film fängt in behutsam gefilmten, kurzen Augenblicken die steigende Unzufriedenheit der Beiden ein: durch Seufzer, genervte Blicke, unbedarft geäußerte Sätze oder die (eindeutige) Mimik. Körner zeigt sich hier als akkurater, fast pingelig genauer Beobachter einer langsam in die Brüche gehenden Beziehung.

Das titelgebende „Fahrrad“, dass das Fass zum überlaufen bringt aber eigentlich nur als nett gemeintes Geschenk gedacht war, steht metaphorisch für die Flucht und das Davonlaufen bzw. -fahren. Oder: das immer in Bewegung bleiben, das Umtriebige und die Freiheit. Alles, bloß kein Stillstand. Eben das, was man für eine feste Beziehung – in gewisser Weise – aufgeben muss. Am Schluss begegnet einem dann der melancholische Song vom Anfang („I want to ride you now“) erneut. In der letzten Szene aber wird das Fahrrad nicht mehr gefahren, sondern brennt lichterloh auf einer Pariser Straße vor sich hin. Marks Art, die Erinnerung an die Zeit mit Antonia in der Stadt, auszulöschen.

Björn Schneider