The Big Short

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Mehr und mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass die kapitalistischen Gesellschaften auf einen Abgrund zusteuern. Warum Krisen, wie die durch faule Darlehen verursachte Finanzkrise von 2008 dennoch so wenig Folgen haben, versucht Adam McKay in seiner brillanten, ebenso scharfzüngigen wie tragischen Satire „The Big Short“ zu ergründen. Pflichtprogramm für Jeden, der die Welt in der wir leben, verstehen will.

Webseite: www.thebigshort-film.de

USA 2015
Regie: Adam McKay
Buch: Adam McKay & Charles Randolph, nach dem Buch von Michael Lewis
Darsteller: Steve Carell, Ryan Gosling, Brad Pitt, Christian Bale, Marisa Tomei, Finn Wittrock, Melissa Leo, John Magaro
Länge: 130 Minuten
Verleih: Paramount
Kinostart neu: 14. Januar 2016
 

FILMKRITIK:

Fünf Billionen Dollar – eine Zahl mit zwölf Nullen – waren am Ende der Finanzkrise von 2008 vernichtet! Zehntausende Menschen verloren wegen fauler Darlehen ihre Häuser, Millionen wurden arbeitslos. Und die Folgen: keine. Doch: genau ein Banker musste ins Gefängnis, alle anderen gingen leer aus und scheffelten in den Folgejahren schon wieder Boni in Millionenhöhe. Doch in „The Big Short“ geht es nicht bzw. nicht nur um Banker, sondern vor allem um eine Gesellschaft, die sich von seichter Unterhaltung einlullen lässt, die sich lieber ablenken lässt, als sich um das zu kümmern, was wirklich zählt.

Wie ein Musikvideo, wie Internetclips ist „The Big Short“ oft geschnitten, rasant, mitreißend und oberflächlich und das ist genau der Punkt. Denn eigentlich geht es hier um hochkomplizierte Geldgeschäfte, wird mit Begriffen wie subprime loans, sidebets on futures oder collateralized debt obligation nur so um sich geschmissen. Nichts davon ist wirklich illegal, aber all das sind rein spekulative Formen der Geldanlage, die zumindest moralisch fragwürdig sind. Doch Moral ist selbstverständlich das Letzte, was ein echter Wall Street-Banker im Sinn hat, so auch die drei Gruppen von Investoren, die hier im Mittelpunkt stehen und aus dem fast dokumentarischen „The Big Short“ auch ein Starvehikel machen: Zunächst einmal Christian Bale als Fondsmanager Michael Burry, der 2005 als erster feststellte, dass die Banken so viele faule Kredite für Hauskäufe vergeben haben, dass diese unweigerlich in naher Zukunft zu einer riesigen Blase werden würden. Und genau auf diese Verluste spekulierte, also wettete er, was ihn im Endeffekt natürlich auch nur zu einem weiteren Spieler im System machte, der nichts zur Produktivität beitrug, sondern nur auf Gewinne aus war. Von Burrys Anlagen bekam Jared Vennett (Ryan Gosling) Wind, der mit dem Fondsmanager Mark Baum (Steve Carell) in Kontakt kam und ebenfalls investierte. Und schließlich die dritte Gruppe: Zwei aufstrebende Investoren namens Charles Geller (John Magaro) und Jamie Shipley (Finn Wittrock), die zusammen mit dem Börsen-Guru Ben Rickert (Brad Pitt) investierten.

Das sind zwar ein wenig viele Figuren, die den Film unnötig aufblähen, aber all die Stars werden hoffentlich dazu beitragen, Zuschauer in einen Film zu locken, der als Dokumentation wohl allzu trocken wäre. Doch gerade die dramatische Form erlaubt es McKay – der bislang vor allem durch Komödien wie „Anchorman“ oder „Talladega Nights“ bekannt war – den Blick zu erweitern. Denn „The Big Short“ ist nicht nur ein Kammerspiel wie etwa „Margin Call“, der sich ebenfalls mit der Finanzkrise beschäftigte, sondern wirft einen scharfen, bösen, aber auch ernüchternden Blick auf die Welt, in der wir leben.

In einer emblematischen Szene sitzt da etwa die sehr blonde, sehr attraktive Schauspielerin Margot Robbie in der Badewanne, in der Hand ein Champagnerglas und erklärt dem Zuschauer die Funktionsweise der faulen Kredite. Das ist nun nicht nur erstaunlich informativ, sondern vor allem ein Seitenhieb auf Martin Scorseses „The Wolf of Wall Street“, in dem Robbie das hübsche Ding an der Seite von Leonardo DiCaprios Börsenhai spielte. Dort standen die Exzesse der Banker im Mittelpunkt, das schöne Leben aus Geld, Sex und Drogen, was „The Wolf of Wall Street“ wohl ebenso zu einem unfreiwilligen Werbevideo für einen Berufsstand machte wie einst Oliver Stones „Wall Street“. Damals war es Gordon Gekko, dessen unverhohlenes Mantra „Gier ist gut“ eigentlich Ablehnung hervorrufen sollte, aber wohl zig junge Männer zu Bankern werden ließ, die dann 20 Jahre später vermutlich selbst mitverantwortlich für die Bankenkrise waren.

Das wird mit „The Big Short“ nicht passieren, denn Adam McKay lässt nie einen Zweifel daran, dass auch Burry, Vennett und all die anderen Nutznießer eines Systems waren, das seine Machenschaften bewusst so kompliziert erscheinen lässt, dass Außenstehende kaum durchblicken. Doch ebenso klar wird, dass kaum jemand wirkliches Interesse hat, die Ursachen von Krisen wahrzunehmen. Und so ist am Ende die Oberflächlichkeit der kapitalistischen Konsumgesellschaft mindestens ebenso wichtiges Thema von „The Big Short“ wie die Finanzspekulationen der Banker. Und genau das macht Adam McKays Film so zeitgemäß.
 
Michael Meyns