The Contractor

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Mit seinem atmosphärischen Neo-Noir-Streifen „Die Nile Hilton Affäre“ sorgte der aus einer ägyptischen Familie stammende, in Schweden geborene Filmemacher Tarik Saleh 2017 für internationales Aufsehen. An Land ziehen konnte er im Anschluss zwei spannende englischsprachige Fernsehaufträge. So inszenierte er nicht nur eine Folge für die gefeierte Science-Fiction-Serie „Westworld“, sondern saß auch bei einer Episode der langlebigen Krimisaga „Ray Donovan“ auf dem Regiestuhl. Nach diesen beiden 2018 ausgestrahlten Arbeiten kehrt er mit dem ebenfalls aus US-amerikanischer Produktion stammenden Actionthriller „The Contractor“ auf die große Leinwand zurück. Der Versuch, einen recht geradlinigen Verschwörungsplot mit etwas Substanz anzureichern, ist darin zweifellos erkennbar. Allzu oft verlässt sich der prominent besetzte Film jedoch auf bewährte Strickmuster und verpasst es dadurch, sich entscheidend von ähnlichen Genrebeiträgen abzuheben.

Website: https://www.leoninedistribution.com/filme/160085/the-contractor.html

Regisseur: Tarik Saleh
Drehbuch: J. P. Davis
Darsteller: Chris Pine, Ben Foster, Gillian Jacobs, Kiefer Sutherland, Nina Hoss, Fares Fares, Eddie Marsan, Sander Thomas u. a.

Länge: 104 Minuten
FSK: ab 16 Jahren
Verleih/Vertrieb: Leonine Studios
Kinostart: 14.04.2022

FILMKRITIK:

Der Einstieg gerät zwar manchmal etwas plakativ, erfreulich ist es aber allemal, dass sich Drehbuchautor J. P. Davis und Regisseur Saleh Zeit nehmen, um in die verfahrene Situation ihres Protagonisten einzuführen. Der Elitesoldat James Harper (Chris Pine) hat sich in Afghanistan und im Irak für seine Heimat aufgerieben und schlägt sich, in die Staaten zurückgekehrt, mit einer hartnäckigen Knieverletzung herum. Dass er seinem Beruf nicht abgeschworen hat, ist offensichtlich. Verbissen trainiert er seinen Körper. Regelmäßig sucht er sein Refugium, eine kleine Waldhütte, auf, wo er akribisch seine Waffen inspiziert. Wohnt er mit seiner Familie im Gottesdienst dem Segen für ausrückende Kollegen bei, scheint ihn dieser Anblick zu schmerzen.

Als er sich zum Dienst zurückmeldet, erlebt James allerdings eine böse Überraschung. Weil er seit geraumer Zeit in Eigenregie schmerzstillende Medikamente einnimmt, setzt ihn sein neuer Chef einfach vor die Tür. Ohne Pensionsansprüche und Krankenversicherung sieht es auf einmal düster aus. Drückende Schulden machen die Lage nicht angenehmer. Um seine Frau Brianne (Gillian Jacobs) und seinen Sohn Jack (Sander Thomas) weiter versorgen zu können, lässt sich Harper nach dem ersten Schock von seinem alten Soldatenkumpel Mike (Ben Foster) für einen Auslandsjob anheuern. Im Auftrag des Veteranen Rusty Jennings (Kiefer Sutherland), der eine private Militärfirma betreibt, reisen die beiden für eine streng geheime Antiterrormission nach Berlin.

Dass der vermeintlich schnell zu erledigende Einsatz aus dem Ruder läuft und unschöne Offenbarungen bereithält, ist bei einem Film dieser Art nicht verwunderlich. Tarik Saleh gelingen nach der Ankunft des Protagonisten in Europa einige packende Momente. Etwa dann, wenn James, Mike und ihre Mistreiter eine deutsche Forschungseinrichtung stürmen und einen verdächtigen Wissenschaftler (Fares Fares) überwältigen. Auch die Flucht vor plötzlich auftauchenden Polizeikräften treibt in ihrer dynamischen Inszenierung den Puls geschickt nach oben. Festhalten muss man dennoch: Wirklich innovativ sind die Actionpassagen nicht. Viele Momente wirken routiniert, erfüllen halbwegs ihren Zweck, sind jedoch schnell wieder vergessen. Die Verschwörung, in die Harper hineingerät, ist nicht gerade komplex. Die letzten zwanzig Minuten hakt der Film im Eiltempo ab. Und manch versierter Nebendarsteller wird an eine wenig aussagekräftige Rolle verschenkt.

„The Contractor“ kämpft wiederholt mit Drehbuchunzulänglichkeiten. Lobenswert ist aber, dass sich die Macher bemühen, ihren Spannungsstreifen um eine politische und psychologische Dimension zu erweitern. Das Schicksal vieler US-Kriegsheimkehrer, die sich von Regierung und Gesellschaft im Stich gelassen fühlen, klingt vor allem im ersten Drittel an. James sieht seinen Freund Mike ausgerechnet bei einer Beerdigung für einen früheren Kameraden wieder, der sich, wie nicht wenige Veteranen, das Leben genommen hat. Statt Hurrapatriotismus herrscht ein ernüchterter Blick auf das Soldatendasein vor. Nicht von ungefähr fasst Mike an einer Stelle seine Sicht denkbar zynisch zusammen: „Am Ende sind wir alle Söldner.“

Neben die allgemeine Bestandsaufnahme setzt der Film auch das Psychogramm eines Mannes, der das, wofür er jahrelang die Knochen hingehalten hat, zunehmend in Frage stellt. Wie Rückblenden enthüllen, wurde James von seinem Vater (Dean Ashton), einem strammen Militärangehörigen, schon früh auf eine Armeelaufbahn vorbereitet. Die Verletzungen, die dieser Druck hervorgerufen hat, treten nun verstärkt zu Tage und zwingen Harper, sich Gedanken über seinen eigenen Sohn zu machen. „The Contractor“ schlägt immer mal wieder in Richtung Charakterstudie aus, verfolgt diese Route jedoch nicht konsequent genug. Oft drängt sich die Verschwörungsgeschichte samt Hatz in den Vordergrund. Und außerdem tauchen Einblicke in die Kindheit der Hauptfigur eher willkürlich auf. Mit dem Ergebnis, dass die Vater-Ebene einen etwas aufgesetzten Eindruck hinterlässt. Was wirklich schade ist, da der Film gerade hierdurch dem Genremittelmaß entkommen könnte.

Christopher Diekhaus