The Creator

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Künstliche Intelligenz wird unser Leben grundlegend verändern. Das dürfte mittlerweile jedem klar sein. Umso wichtiger ist es, Regeln und Leitplanken zu formulieren, die ein unkontrolliertes Ausufern verhindern. Auch in Hollywood geht seit geraumer Zeit die Angst vor den Verwerfungen um, wie der Streik der Drehbuchautoren und Schauspieler beweist, denen der Einsatz von KI große Sorgen bereitet. Etwas überraschend, da vorab die Werbetrommel nur zaghaft gerührt wurde, startet im Spätsommer 2023 in diese Diskussionen hinein der Science-Fiction-Thriller „The Creator“, der eine Welt mit hochentwickelten KI-Wesen an die Wand malt. Filmemacher Gareth Edwards („Rogue One: A Star Wars Story“) liefert handwerklich beeindruckendes Spektakelkino ab, drückt sich aber leider darum, die mit dem Thema verknüpften Fragen ernsthaft zu diskutieren.

Webseite: https://www.20thcenturystudios.com/movies/the-creator

Regie: Gareth Edwards
Drehbuch: Gareth Edwards, Chris Weitz
Darsteller: John David Washington, Madeleine Yuna Voyles, Allison Jenney, Ken Watanabe, Gemma Chan, Sturgill Simpson, Ralph Ineson u. a.

Länge: 133 Minuten
FSK: ab 12 Jahren
Verleih/Vertrieb: Walt Disney Pictures Germany
Kinostart: 28.09.2023

FILMKRITIK:

Die Angst vor der Vernichtung durch intelligente Maschinen – ein Topos des Science-Fiction-Genres – beschwört „The Creator“ gleich zu Anfang. Eine KI hat einen atomaren Sprengsatz gezündet und die kalifornische Metropole Los Angeles in ein Schlachtfeld und ein Massengrab verwandelt. Der Westen, angeführt von den USA, zieht daraufhin in den Krieg gegen das sogenannte New Asia. Nicht die dort lebenden Menschen werden als Feinde gesehen, sondern die dort agierenden, ständig weiterentwickelten, Simulants genannten Roboter, die längst alle Lebensbereiche erobert haben. Im Jahr 2070 spitzt sich die Lage zu, da ein geheimnisvoller KI-Architekt – der titelgebende Creator – seine Arbeit an einer neuen Superwaffe beendet haben soll, die den Untergang der Menschheit besiegeln könnte.

„Um jeden Preis zerstören!“ , lautet das Motto, das die US-Regierung ausgibt. Helfen soll dabei der durch einen fehlgeschlagenen Undercover-Einsatz traumatisierte Ex-Elitesoldat Joshua (John David Washington), der sich inzwischen als einfacher Müllsammler in der radioaktiven Zone von Los Angeles verdingt. Mithilfe seiner Ortskenntnisse will eine von Colonel Howell (Allison Janney) befehligte Spezialeinheit in das Herz New Asias vordringen, das Wunderding aufspüren und vernichten. Bei der Stürmung eines riesigen Laborkomplexes läuft dann aber nicht alles nach Plan. Joshua wird vom Rest der Truppe getrennt und findet sich plötzlich mit der Waffe, einem von ihm Alphie getauften Robotermädchen (Madeleine Yuna Voyles), auf der Flucht wieder.

Maschinenwesen haben nichts Lebendiges an sich, sind reine Programmierung. Diese Haltung vertritt der Protagonist noch bei seinen Aufräumarbeiten in LA. Im Verlauf des Films wird sie sich – das sollte wenig überraschen – jedoch wandeln, da der gemeinsame Weg ihm neue Perspektiven eröffnet. Joshua, der bei der einst aus dem Ruder gelaufenen Mission in New Asia seine Frau Maya (Gemma Chan) und ihr ungeborenes Kind verloren hat, kann Alphie nicht einfach liquidieren, sondern baut mehr und mehr eine Bindung zu seiner kleinen Begleiterin auf. Anders als viele Filme, die sich mit KI befassen, verfällt „The Creator“ nicht in eine Art Verteuflungsmodus. Viel bedrohlicher und destruktiver ist für Gareth Edwards der Mensch, der den Planeten Erde zugrunde gerichtet hat.

Die Annäherung zwischen Joshua und Alphie bettet der auch am Drehbuch mitbeteiligte Regisseur in eine vom Krieg geprägte Jagd ein und entführt das Publikum in eine aufregende Zukunftswelt. Altes und Hochmodernes steht dabei nicht selten nebeneinander, wobei der Film sein futuristisches Setting hier und da noch etwas genauer hätte erkunden können. An vielen Ecken blitzen interessante Ideen über das Miteinander von Mensch und Technik auf. Zum langen Verweilen bleibt allerdings nicht viel Zeit, da Edwards Joshuas klassisch aufgezogene Heldenreise konsequent vorantreibt und mit immer neuen Actioneinlagen würzt. Auch wenn man dem Soldaten und dem Robotermädchen emotional sicher noch näher kommen könnte und ihnen der Zufall in manchen Augenblicken etwas schnell zur Seite springt, nimmt ihr Trip gefangen.

Prunkstück des Films sind ohne Wenn und Aber seine spektakulären Bilder. Während der eine Woche zuvor gestartete Söldnerstreifen „The Expendables 4“ allerhand miese Computereffekte aneinanderreiht, fühlt sich „The Creator“ keineswegs künstlich an. Wie reale Schauplätze, echte Darsteller und digitale Elemente kombiniert werden, ist angesichts eines für Hollywood-Verhältnisse gar nicht mal so gigantischen 80-Millionen-Budgets durchaus bemerkenswert. Besonders die Darstellung der KI-Figuren kann sich rundum sehen lassen.

Was sich bei aller Begeisterung für die technischen und optischen Aspekte nicht verleugnen lässt: Inhaltlich spielt das Science-Fiction-Epos nicht in der Liga von Arbeiten wie „Ex Machina“ oder „I Am Mother“, die sich eingehender mit den ethischen und existenziellen Fragen zum KI-Einsatz beschäftigen. Möglichkeiten der Vertiefung gibt es in „The Creator“ zuhauf. Edwards kratzt jedoch oft nur an der Oberfläche und setzt eher auf die nächsten atemberaubenden Impressionen oder die nächste mitreißende Actionszene. Aus diesem Grund und weil das letzte Drittel zu viel Geschehen in zu wenig Zeit packt, ist das Urteil „Meisterwerk“, zu dem manche US-Kritiker in ihren ersten kurzen Statements kamen, definitiv zu hoch gegriffen. Freuen darf man sich dennoch über ein visuell berauschendes Zukunftsspektakel, das ein hochrelevantes Thema in einer originären Geschichte verhandelt. Filme auf Basis bestehender Marken und bekannter Figuren gibt es im Mainstream-Kino schließlich schon genug.

 

Christopher Diekhaus