The Death Of Stalin

Zum Vergrößern klicken

Ein Todesfall im Kreml - und wer bekommt den freigewordenen Bürostuhl? Böse Polit-Satire mit präzisen, auf den Punkt geschriebenen Dialogen und köstlichen Darstellern, allen voran Steve Buscemi.

Webseite: www.deathofstalin-film.de

Frankreich/UK/Belgien 2017
Regie: Armando Iannucci
Darsteller: Steve Buscemi, Simon Russell Beale, Jeffrey Tambor, Michael Palin, Paul Whitehouse, Andrea Riseborough
Länge: 107 Min.
Verleih: Concorde
Kinostart: 22.2.2018

FILMKRITIK:

Als Stalin (Adrian McIoughlin) zum ersten Mal den Mund öffnet, spricht er in einem breiten britischen Akzent, und das ist nicht die einzige Irritation in dieser Satire, die sich einer der unmenschlichsten Diktatoren und Massenmörder des letzten Jahrhunderts zur Zielscheibe genommen hat. Stalin – ein unangefochtener Alleinherrscher, der mit schärfster Gewalt regierte, vermeintliche und tatsächliche Gegner gnadenlos vernichtete und seinen Zielen Millionen von Menschen opferte. Doch an diesem Abend des 2. März 1953 erweist er sich als Musikliebhaber, der von einem klassischen Konzert im Radio so angetan ist, dass er sich sogleich eine Aufnahme zuschicken lässt. Doch kaum hält er sie in Händen, ereilt ihn Schlaganfall. Niemand kommt zu Hilfe – wer traut sich schon, Stalins Nachtruhe zu stören? Am nächsten Morgen ist der Diktator tot, und nun bringen sich die machthungrigen Mitglieder des Zentralkomitees in Stellung, um seinen Platz einzunehmen. Die alltäglichen Regierungsgeschäfte führt zunächst der nicht sehr helle Sekretär des ZK, Georgi Malenkow (Jeffrey Tambor), während der skrupellose Sicherheitschef Lawrenti Beria (Simon Russell Beale) im Hintergrund die Strippen zu ziehen versucht. Das wiederum ruft Nikita Chruschtschow (Steve Buscemi) auf den Plan. Über die nun folgende Verschwörung mit wechselnden Allianzen, überraschenden Manövern, raschen Rückzügen und neuen Fronten soll gar nicht so viel verraten werden, zumal man sie auch in Geschichtsbüchern nachlesen kann.
 
Der Film beruht auf der gleichnamigen Graphic Novel „The Death of Stalin“ und der Fortsetzung „The Funeral“ von Fabien Nury und Thierry Robin. Jann Zenou und Laurent Zeitoun, die Produzenten von „Ziemlich beste Freunde“, erwarben die Rechte und verpflichteten Armando Iannucci als Regisseur. Iannucci wiederum hatte schon mit der Fernseh-Serie „The Thick of It“ (2005-2012) und dem Oscar-nominierten Film „Kabinett außer Kontrolle“ sein Faible für fehleranfällige Mechanismen der Politik bewiesen. Und dass man über Tyrannen lachen darf, weiß man seit Charlie Chaplins „Der große Diktator“ und Ernst Lubitsch’ „Sein oder Nichtsein“. Doch „The Death of Stalin“ hat ein Problem: Er ist nicht so lustig, wie die Macher beabsichtigt haben mögen. Das liegt gar nicht so sehr an den spielfreudigen Darstellern, die ihre unmoralischen Figuren mit scharfzüngigen und zielsicheren Dialogen auf die Schippe nehmen. Iannucci fühlte sich mit dem detailfreudigen Set Design und der historischen Genauigkeit einem Realismus verpflichtet, der der Cartoon-Vorlage viel von ihrer Fantasie und Irrwitzigkeit nimmt. Die Beiläufigkeit, mit der hier immer wieder Menschen erschossen, entführt, verschleppt, gefoltert und vergewaltigt werden, reizt nicht immer zum Lachen. Da spritzt das Blut nur so an die Wände, entstellte Menschen kauern in den Fluren der Sicherheitspolizei. „The Death of Stalin“ beschönigt Stalins Gewaltherrschaft nicht. Und das geht auf Kosten des Humors.
 
Michael Ranze