The Drover‘s Wife

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Nicht nur der unerschlossene Westen der USA ist Schauplatz bildgewaltiger, im 19. Jahrhundert angesiedelter Outback-Abenteuer und -Überlebenskämpfe. „The Drover’s Wife“ entführt den Zuschauer in die Weite der Australischen Alpen des Jahres 1893. Der eindringlich gespielte, mit feministischer Botschaft gespickte Film handelt vom aufopferungsvollen Kampf einer mutigen, widerstandsfähigen Frau, die sich allein um die Familienfarm und die Kinder kümmern muss. Und schon bald Bekanntschaft mit einem Ureinwohner macht, der von den Sheriffs gesucht wird.

Webseite: https://cinemien.de/film/the-drovers-wife/

Australien 2021
Regie: Leah Purcell
Drehbuch: Leah Purcell
Darsteller: Leah Purcell, Rob Collins,
Jessica De Gouw, Sam Reid

Länge: 109 Minuten
Kinostart: 10.11.2022
Verleih: Cinemien Deutschland

FILMKRITIK:

1893: Die hochschwangere Molly Johnson (Leah Purcell) lebt mit ihren Kindern in den Snowy Mountains der Australischen Alpen. Ihr Ehemann ist als Viehtreiber in den Bergen unterwegs, weshalb sich Molly allein um die Familie und das heruntergekommene Gehöft kümmern muss. Es gilt, ihre Kinder und das Eigentum zu schützen, denn im australischen Outback lauern allerlei finstere Gestalten. Hinzu kommt eine erbarmungslose, unwirtliche Natur, die Molly alles abverlangt. Als Yadaka (Rob Collins), ein Aborigine auf der Flucht, zu Molly und ihren Kindern stößt, sieht sie sich plötzlich mit Wahrheiten und Geheimnissen konfrontiert, die ihr Leben aus der Bahn werfen. Und auch Yadaka muss sich den Dämonen der Vergangenheit stellen.

Regisseurin Leah Purcell baut ihr Szenario langsam und behutsam auf und lässt sich mit dem Erzähltempo gerade in der ersten halben Stunde viel Zeit. Sorgfältig führt sie in die Welt von Molly ein, deren Hof sich nicht allzu weit weg von der nächsten Stadt befindet. Es sind harte, von Armut geprägte Zeiten und gerade das entbehrungsreiche, trostlose Leben in der Wildnis ist geprägt von Verzicht und beständiger Bedrohung. Vor allem für Frauen ist es nicht leicht, das zeigt sich an den harschen Umgangsformen und den zweifelhaften Verhaltensweisen vieler männlicher Figuren.

Die von Purcell einnehmend und glaubwürdig verkörperte Molly kennt all dies nur zu gut aus eigener Erfahrung. Ihr Mann ist notorisch untreu, alkoholkrank und gewalttätig. So wie ihr ergeht es jedoch vielen Frauen jener Zeit, daran will Parcell mit ihrem Film erinnern, der nicht umsonst eine starke, mutige Frauenfigur ins Zentrum der Handlung rückt. Eine unabhängige Frau zudem, die durchaus mit dem Schießeisen umzugehen und sich selbst zu helfen weiß.

Darüber hinaus thematisiert der mit erhabenen, unnachahmlichen Landschaftaufnahmen garnierte „The Drover‘s Wife“ anhand der ambivalenten Figur des Natives Yadaka die Situation und den Alltag vieler Ureinwohner im Australien zur Jahrhundertwende. Gewissermaßen ist es nur konsequent, dass Molly und Yadaka, aufeinandertreffen, denn diese beiden vielschichtigen Charaktere haben mehr gemein als es zunächst den Anschein haben mag. Beide sehnen sich nach Halt, einem Neubeginn und nach individueller Freiheit – nach einem Ausbruch aus der Beschwerlichkeit des alltäglichen Lebens. Und: Molly und Yadaka, die (quasi) alleinerziehende Mutter und der Ureinwohner, sind beide mit Vorurteilen, gesellschaftlicher Ächtung, Diffamierung und Stigmatisierung konfrontiert.

„The Drover‘s Wife“ scheut zudem nicht die überraschende Wendung und den unerwarteten Twist. Dieser steht im direkten Zusammenhang mit der Frage nach Herkunft und Identität. Etwas den inhaltlichen roten Faden verliert Purcell, wenn sie zu oft zur wenig komplex gezeichneten Figur des Sergeant Klintoff (Sam Reid) wechselt. Und dessen Leben in der Stadt zeigt, in die er als der neue Gesetzeshüter erst vor kurzem zog. Diese Wechsel von Schauplatz und Figur wirken nicht immer rund und schlüssig. Und so richtig nah kommt man Klintoff und seinen inneren Motivationen sowie Versuchen, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden, zudem nicht.

 

Björn Schneider