The Dust of Modern Life

Einmal im Jahr lässt eine Gruppe von Mitgliedern der Sedang (ein vietnamesisches Volk) ihr Leben hinter sich und zieht sich in den Dschungel zurück. Dort geben sich die Männer einer Art spiritueller Reinigung hin und leben ganz nach der alten Tradition ihrer Vorfahren. Eine besondere Erkundungstour zu sich selbst und abseits des modernen Lebens. Die ethnologische Doku „The Dust of Modern Life“ führt diese ursprüngliche, einfache Lebensweise vor Augen und setzt ganz bewusst auf Entschleunigung und Langsamkeit.

Webseite: www.dejavu-film.de/aktuelle-filme/the-dust-of-modern-life/

Deutschland/Frankreich 2021
Regie: Franziska von Stenglin
Länge: 81 Minuten
Kinostart: 12. Januar 2023
Verleih: déjà vu

FILMKRITIK:

Im Mittelpunkt der Doku „The Dust of Modern Life“ steht Liem, ein Sedang, der einer ethnische Minderheit in Vietnam angehört. Liem arbeitet hart, versorgt seine Familie und kocht für sie, doch bald wird er sie für einige Tage verlassen. Dann nämlich widmet er sich mit einigen anderen Männern einer jahrhundertealten Tradition: Gemeinsam begeben sie sich tief in den Dschungel Vietnams, um einer archaischen Lebensweise zu frönen und von dem zu leben, was die Natur hergibt.

Als Zuschauer wird man Zeuge einer ganz und gar minimalistischen Lebensart, die sich schon in den ersten Minuten dieser akkuraten Beobachtungsstudie offenbart. Filmemacherin Franziska von Stenglin, die auf einen einordnenden Off-Kommentar verzichtet und die Bilder allein für sich sprechen lässt, folgt in diesem ersten Drittel Liem in dessen Alltag. Ein Alltag, der geprägt ist von harter Arbeit (in der Küche oder auf dem Feld) und gelegentlichen stillen Momenten mit dem allerjüngsten Nachwuchs.

Mit ihren unverstellten, ungeschliffenen Handkamerabildern erzeugt Stenglin eine große Nähe zu Liem, der bald zu seinem mehrtätigen Dschungeltrip aufbricht. Bis es aber soweit ist, filmt Stenglin ihn und die anderen Dorfbewohner bei Feierlichkeiten oder auch Zusammenkünften, bei denen man die Riten und Bräuche der Vorfahren aufleben lässt. „The Dust of Modern Life“ vermittelt dem Zuschauer auf diese Weise einen wahrhaftigen, authentischen Eindruck vom Leben innerhalb der kleinen Gemeinde. Und: Der Film zeigt die Werte, Kulturtechniken, Lebensbedingungen sowie Traditionen der Sedang sehr ausführlich und nachvollziehbar.

Eine ausgewählte Gruppe der Sedang steht stellvertretend für diese vietnamesische Minderheit und ein ganz besonderes Brauchtum gleichsam im Zentrum der zweiten Hälfte des Films. Dann nämlich begleitet Stenglin die Männer ins Dickicht der beeindruckenden Dschungelwelten des südostasiatischen Landes mit seiner vielseitigen Flora und Fauna. Die entschleunigten, fast hypnotischen Bilder entwickeln, vor allem dank der Grobkörnigkeit, eine faszinierende Sogwirkung. Dazu tragen auch die oft minutenlangen Einstellungen und unkommentierten, stillen Impressionen und Aufnahmen von Tropenpflanzen und seltenen Bäumen bei. Verheißungsvoll-unbeschwerte Bilder und malerische Kulissen, die auf der Tonspur durch die naturalistischen Urwaldgeräusche ergänzt werden.

Gesprochen wird in „The Dust of Modern life“ nicht viel, dafür konzentriert sich Stenglin ganz auf die Beobachtung der Menschen. Wie sie im Urwald Fallen stellen und später die toten Nagetiere grillen. Wie sie im Kollektiv Probleme lösen und gemeinsam Ideen finden. Oder sie sich in den Wasserfällen baden, ihre Kenntnis über das Leben im Dschungel teilen und all dieses Wissen an ihre Nachfahren weitergeben, damit die Sitten und Gepflogenheiten nie aussterben.

 

Björn Schneider