The End of Time

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Kaum ein abstrakteres Thema könnte man sich vorstellen als: Zeit. Und so wählt Petzer Mettler für seinen essayistischen Dokumentarfilm „The End of Time“ auch keinen direkten Ansatz, sondern filmt unter anderem in Detroit, der Schweiz und auf Hawaii Menschen und Dinge, die sich auf die ein oder andere Weise mit dem Thema Zeit beschäftigen. Manchmal ist das Ergebnis etwas zu enigmatisch, oft aber auch geradezu meditativ.

Webseite: www.realfictionfilme.de

Kanada/ Schweiz 2012 - Dokumentation
Regie, Buch: Peter Mettler
Länge: 109 Minuten
Verleih: Real Fiction
Kinostart: 9. Mai 2013

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Vor einigen Jahre warb ein Schweizer Uhrenhersteller mit dem Spruch „How long is a Swatch Minute“ für seine Produkte und zeigte – ganz Einstein folgend – das Zeit relativ ist: Von wenigen Sekunden, über Minuten bis zu Jahren können Ereignisse in der Wahrnehmung dauern. Am Ende der Werbung hieß es: „Zeit ist das, was man aus ihr macht“, ein Satz, der durchaus auch als Untertitel zu Peter Mettlers Film „The End of Time“ herhalten könnte. Denn der schweizer-kanadische Regisseur begibt sich auf eine Suche, zu der es keine Antworten geben kann, nur Annährungen.

Seine Reise beginnt in der Schweiz, beim Teilchenbeschleuniger CERN, in dem auf einer Kreisbahn von 27 Kilometern Länge Teilchen beschleunigt werden und aufeinander prallen. Anhand der Messergebnisse erhoffen sich Wissenschaftler – die in der gigantischen Anlage amüsanterweise sowohl Laptop als auch Schutzhelm tragen – Antworten über die Entstehung des Universums. Und damit der Zeit, wie der Mensch sie kennt bzw. wie er sie definiert. Denn dies ist ein Aspekt, den Mettler immer wieder betont: Die Natur kennt keine Zeit, keine Sekunden, Minuten, Tage. Die Welt, unsere gesamte Existenz ist ein Prozess, ein ständiger Kreislauf aus Geburt und Vergehen, in dem die Zeit eine Ordnung suggerieren soll, nach der die meisten Menschen verlangen.
Nicht so jedoch einige Aussteiger, die Mettler auf Hawaii und in der langsam verfallenden ehemaligen amerikanischen Industriemetropole Detroit besucht: Inmitten von Lawaströmen hart Jack Johnson auf der größten Hawaii-Insel aus, während die Zivilisation langsam von der Natur zurückerobert wird. Ähnliches ist auch in Detroit zu beobachten, wo Reihen von Einfamilienhäusern leer stehen, Fabriken, ja selbst Kathedralen dem Verfall preisgegeben sind, Wasser durch die Decken tropft, Pflanzen den Beton aufzusprengen beginnen und der Mensch langsam verdrängt wird.

Spätestens wenn Mettler in Indien eine buddhistische Begräbniszeremonie filmt, wird deutlich, dass sich „The End of Time“ mindestens so sehr um den Tod wie um Zeit dreht. Wobei Zeit, Vergänglichkeit, Tod, natürlich unmittelbar miteinander zu tun haben. Diese sehr persönliche Herangehensweise an sein Thema ist Stärke und Schwäche zugleich. Nicht immer mag man Mettler auf seinen assoziativen Wegen folgen, nicht immer wirken minutenlange Aufnahmen von Lavamassen, Strukturen von Bäumen oder Felsen zwingend.

Meistens jedoch ist gerade das Bedachtsame eine Qualität, die man im dokumentarischen Kino oft vermisst: Hier werden nicht Aussage auf Aussage getürmt, bilden wissenschaftliche, philosophische und profane Überlegungen zum Thema Zeit nicht einen kakophonischen Berg an Gedanken, der keinerlei Raum zur Reflektion lässt. Oft stellt Mettler eine Aussage in den Raum und lässt den Zuschauer dann Minutenlang allein. Minuten, in denen viel Zeit zum Nachdenken über das gerade Gehörte bleibt, zum Formen eigener Gedanken, die dann wieder von Mettler auf eine neue Spur gebracht werden. Durch diese Form ist „The End of Time“ ein sehr spezieller Film, der sich auf ganz eigene Weise einem Thema nähert, dass ständig präsent und doch so schwer zu fassen ist.

Michael Meyns