The End

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Das Ende ist nah, oder auch nicht, in diesem Genre-Mix aus Endzeitszenario, Musical und Familiendrama. Es geht um die letzten noch lebenden Menschen, eine reiche Familie und ihre Bediensteten, aber die Dynamik wird aufgerüttelt, als eine weitere Überlebende hinzukommt. Eine, auf die der Sohn der Familie ein Auge geworfen hat. Exzellent besetzt, nicht exzellent gesungen und schon eigentümlich.

Webseite: https://mubi.com/de/de/films/the-end

Dänemark / Deutschland / Irland / Italien / Großbritannien / Schweden / USA 2024
Regie: Joshua Oppenheimer
Buch: Rasmus Heisterberg, Joshua Oppenheimer, Shusaku Harada
Darsteller: Tilda Swinton, George MacKay, Moses Ingram

Länge: 148 Minuten
Verleih: MUBI
Kinostart: 27. März 2025

FILMKRITIK:

Man weiß nicht, was passiert ist. Das Ende der Welt halt. In einem gigantischen, bestens ausgestatteten Bunker lebt eine Familie mit ihren Bediensteten. Sie ergehen sich in den schönen Künsten, die Mutter malt, der Sohn schreibt einen Roman, sie alle haben das Gefühl einer guten Zukunft entgegenzublicken. Aber dann kommt eine weitere Überlebende hinzu. Zuerst will man sie loswerden, dann heißt man sie willkommen. Aber die Dynamik im Bunker ändert sich, ist die Zukunft noch so strahlend, wie die Familie sie am Anfang besungen hat?

Besungen? Genau, denn „The End“ ist auch ein Musical. Das Stichwort ist „auch“, denn Regisseur und Mitautor Joshua Oppenheimer entschied erst spät, dass sein Film mit den Elementen eines Musicals der Goldenen Ära Hollywoods arbeiten würde. Er hatte das Gefühl, dass die Geschichte zu konventionell war, weswegen er beschloss, in bestimmten Abständen Szenen so zu gestalten, dass die Figuren nicht reden, sondern singen. Ob Tilda Swinton das im Vorfeld bewusst war? Angesichts des doch eher überschaubaren Gesangstalents der ansonsten hervorragenden Schauspielerin mag man das eher nicht glauben.

Michael Shannon flüchtet sich in eine Art Sprechgesang, George MacKay singt wunderbar, aber das wusste man ja schon von seinem Musical „Make My Heart Fly“. Die gesangliche Überraschung bietet Moses Ingram, die in der Serie „Obi-Wan Kenobi“ einem großen Publikum bekannt wurde. Als Neuankömmling im Bunker wartet sie mit hoher gesanglicher Präsenz auf.

Der Film ist mit einer Laufzeit von knapp zweieinhalb Stunden extrem lang. Überlang. Oppenheimer hätte nicht nur verdichten können, er hätte es auch müssen. Denn in der jetzigen Form ist „The End“ auch eine Geduldsprobe. Es ist nicht so, dass der Film uninteressant wäre, er ist nur einfach zu lang für das, was er erzählen will. Denn im Kern ist es – Apokalypse hin, Musical her – halt doch „nur“ ein Familiengeschichte über einen sozial leicht gehandicapten Sohn (kein Wunder, er wuchs ja ohne andere Kinder und Jugendliche auf) und die Frau, in die er sich verliebt, was zu Verwerfungen im angestammten Beziehungsgefüge führt. Aber auch das löst sich letztlich in Wohlgefallen auf. Andere Filme hätten hier wohl auf Spannung, vielleicht auch Gewalt und ein paar Tote gesetzt, Oppenheimer hingegen bleibt zivilisiert. Könnte man sagen, denn seine Figuren haben nur einmal einen moralischen Aussetzer. Aber dafür hadern sie mit der Schuld, und zwar nicht nur der der Überlebenden.

Kann das Schuldgefühl so groß werden, dass es kein Zurück mehr gibt, dass sich ein Mensch davon nicht mehr erholt? Die Frage stellt Oppenheimer, die Antwort ist allerdings einigermaßen unbefriedigend. Vielleicht sollte sie das aber auch sein, bleibt sie damit doch dem Zuschauer zur Beantwortung überlassen. Der kann noch darüber sinnieren, während die Familie am Ende einmal mehr die strahlende Zukunft besingt.

 

Peter Osteried