The Farewell

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Die humorvolle, lebensnahe Geschichte um die erfolglose New Yorker Schriftstellerin Billi, die zu ihrer Familie nach China reist, um sich von ihrer Großmutter zu verabschieden, die nicht weiß und nicht erfahren soll, dass sie todkrank ist … was für eine hübsche Vorlage für eine Familienkomödie ganz ohne Albernheit und aufgesetzte Gags. Lulu Wang bietet neben liebenswerten Darstellern, vor allem Akwafinaals Billi, ein Kaleidoskop von Bildern aus dem modernen China, wo trotz aller Veränderung noch immer die Traditionen lebendig sind.

Webseite: dcmworld.com

USA 2019
Buch und Regie: Lulu Wang
Darsteller: Awkwafina, Tzi Ma, Jim Liu, Gil Perez-Abraham, Ines Laimins
100 Minuten
Verleih: DCM
Kinostart: 19.12.2019

FILMKRITIK:

Als Billi erfährt, dass ihre Eltern für die Hochzeit eines Cousins, den kaum jemand kennt, die weite Reise in ihre alte Heimat China antreten wollen, wittert sie sofort Unheil. Und richtig: Bald erfährt sie, dass die Hochzeit nur ein Vorwand ist, denn in Wahrheit ist bei Billis Großmutter Lungenkrebs diagnostiziert worden, im letzten Stadium, es bleiben ihr nur noch wenige Wochen. Nach alter chinesischer Tradition soll sie davon nichts erfahren, weshalb die Hochzeit als Gelegenheit zum möglichst unauffälligen Abschied nehmen gewählt wurde. Billi ist doppelt getroffen: einmal aufgrund der Tatsache, dass ihre geliebte NaiNai (Oma) todkrank ist, aber auch wegen der offenkundige Lüge, die ihr von der gesamten Familie aufgetischt wird. Weil die sensible Billi bekanntlich ihre Gefühle nicht verheimlichen kann, sollte sie besser nicht zur Hochzeit fliegen. Zudem ist sie als Schriftstellerin, der gerade ein Stipendium abgelehnt wurde, nicht auf Rosen gebettet. Trotzdem wird sie zum Überraschungsgast der Familie in China und gerät in eine merkwürdig stille Gesellschaft, die von einer bestens gelaunten NaiNai angeführt wird. Um sie herum die von nah und fern angereisten Angehörigen, die Cousins, Cousinen, Schwestern, Brüder, Enkel und Kinder – alle aus den bekannten Gründen eher bedeckt. Bei den Hochzeitsvorbereitungen hat natürlich NaiNai als Familienvorstand das Sagen. Doch alles wird überschattet durch das Wissen, dass hier zum letzten Mal alle zusammen sein werden.
 
„Basierend auf einer wahren Lüge“ – ist das Motto der warmherzigen Geschichte, eine hübsche und originelle Interpretation des bekannten Film-Intros, mit dem normalerweise der Wahrheitsgehalt einer Story belegt werden soll. Tatsächlich greift Lulu Wang für den Film auf ihre eigene Biografie zurück, und Billi ist ihr Alter Ego. Schon der Plot zeigt das Komödienpotential: Hier prallen Weltbilder, Kulturen und Generationen aufeinander, und Lulu Wang macht daraus eine sowohl lebensnahe als auch lebensbejahende Handlung mit viel Humor und angemessener Situationskomik. Dabei bleibt sie im Ton ernsthaft, sie nimmt ihre Charaktere ernst, kommt also ohne aufgesetzte Gags oder Flachwitze aus. Prinzipiell geht es tatsächlich um das Abschiednehmen – nicht nur von einer Person, sondern auch von der Kindheit. Billi erkennt die Muster in ihrer Familie, sie sträubt sich gegen die Traditionen, aber sie liebt sie auch, denn sie sind ein Teil von ihr, die zu ihr gehören wie ihr Gesicht. Die junge Schauspielerin Awkwafina (toller Name!) macht das phänomenal gut. Sie spielt Billi mit einer Mischung aus Lässigkeit und Krampf, so dass sie noch jünger wirkt, beinahe pubertär. Ihr Gang ist zügig und burschikos, schließlich lebt sie in New York, doch ihre leicht verkrampften Bewegungen zeigen den Druck, unter dem sie steht, und ihre Unfähigkeit, loszulassen. So wird eine Tai Chi-Übung mit NaiNai für Billi zum Lockerungstraining in einer schwierigen Situation, die sie alleine bewältigen muss. So wie alle anderen auch. Denn der Abschied von geliebten Menschen ist eine Prüfung, die früher oder später jeder bestehen muss. Ein Film wie dieser mit so viel Humor, Herzenswärme und Liebe zum Detail bietet dafür die beste Inspiration.
 
Gaby Sikorski