The Green Prince

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Von der kaum glaublichen Zusammenarbeit zwischen einem israelischen Agenten und dem Sohn des Hamas-Gründers erzählt Nadav Schirman in seinem neuen Dokumentarfilm “The Green Prince”, dem man immer wieder anmerkt, wie schwer es dem Regisseur fiel, Bilder zu finden, die die Aussagen untermalen. Das Ergebnis ist ein redseliger Film, der gleichermaßen spekulativ wie faszinierend ist.

Webseite: www.thegreenprince-film.de

Deutschland, Israel, Großbritannien 2014 - Dokumentation
Regie, Buch: Nadav Schirman
Länge: 95 Minuten
Verleih: Rapid Eye Movies
Kinostart: 27. November 2014
 

FILMKRITIK:

Per Buch oder Film einen Blick in die Welt der Geheimdienste zu werfen ist aus offensichtlichen Gründen schwierig. Schließlich ist es Lebenszweck von Geheimdiensten und ihrer Mitarbeiter im Geheimen zu agieren und möglichst wenig ihrer Ziele und Methoden, ihrer Erfolge und Misserfolge an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Wenn da mal ein ehemaliger Mitarbeiter ein Enthüllungsbuch schreibt oder sich zu einem offenherzigen Interview bereit erklärt bleibt meist ein Problem ungelöst: Das Geschriebene oder Gesagte lässt sich kaum bis gar nicht überprüfen, den Aussagen der Ex-Agenten haftet zwangsläufig das Gefühl an, reine Behauptung zu sein.

In „The Green Prince“, dem nach „The Champagne Spy“ und „In The Dark Room“ dritten Film, in dem sich der israelische Dokumentarfilmer Nadav Schirman mit der klandestinen Welt der Geheimdienste beschäftigt, ist dieses Problem noch potenziert. Denn außer seinen beiden Protagonisten Mosab Hassan Yousef und Gonen Ben Itzhak kommt niemand zu Wort, wird keine der gemachten Aussagen durch Drittquellen bestätigt, wird eine bemerkenswerte, bizarre und oft kaum glaubliche Geschichte als absolute Wahrheit präsentiert.

Hauptdarsteller dieser Geschichte ist Mosab Hassan Yousef, Sohn des Mitbegründers der Hamas, einer der einflussreichsten palästinensischen Widerstandsbewegungen oder – aus israelischer Sicht – eine der skrupellosesten Terrorgruppen des Nahost-Konfliktes. Mit 18 Jahren wurde Yousef 1996 vom israelischen Inlandsgeheimdienst Schin Bet verhaftet und umgedreht: Fortan diente Youssef als Agent, spionierte seinen Vater und andere Mitglieder der Hamas-Elite aus und informierte seinen Führungsoffizier Gonen Ben Itzhak immer wieder über geplante Anschläge. 2005 beendete Youssef seine Informantentätigkeit, erhielt in Amerika Asyl und schrieb ein Buch über sein Leben, das Basis für diese Dokumentation ist und demnächst auch von Hollywood verfilmt wird.

So absurd sich dieser Lebenslauf auch anhört, zumindest in den Grundzügen ist er tatsächlich wahr. In langen Passagen lässt Schirman seine beiden Protagonisten zu Wort kommen, wobei gerade Youssef augenscheinlich voller jugendlicher Begeisterung über seine klandestine Arbeit berichtet und diese – wie man vermuten darf – auch etwas ausgeschmückt hat. Denn würde man Youssef glauben schenken, hätte er mehr Einfluss auf die Geschicke der Hamas gehabt, als sein Vater oder irgendjemand sonst. Dass Problem ist nur, dass nichts davon sich beweisen lässt, so dass Schirman weite Teile seines Films mit ominöser Musik unterlegt, generische Bilder von Überwachungskameras zeigt, die nichts mit den Aussagen der Protagonisten zu tun haben.

Die wirklich interessanten Momente von „The Green Prince“ sind jene, in denen es um moralische Fragen geht: Wie ist ein junger Mann damit umgegangen, sein Land, ja sogar seinen Vater auszuspionieren und zu verraten? Wie geht ein israelischer Geheimdienstmitarbeiter damit um, einen Informanten zum Verrat anzustiften und ihn in akuter Lebensgefahr einzusetzen? Antworten auf diese Fragen deutet Schirman nur an, meist begnügt er sich jedoch mit der Nacherzählung eines Lebenslauf, der sich irgendwo zwischen faszinierend und spekulativ bewegt – und am Ende vermutlich beides zu gleichen Teilen ist.
 
Michael Meyns