The Interview

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Hohe Wellen hat „The Interview“ schon lange vor Kinostart geschlagen, wütende Reaktionen Nordkoreas hervorgerufen, einen Hacker-Angriff provoziert und schließlich sogar zur Absage des Kinostarts geführt. Nicht ganz verwunderlich, denn die Satire über einen Mordanschlag auf den nordkoreanischen Präsidenten Kim Jung-Un ist zwar in vielen Momenten herrlich überdreht und komisch, oft aber auch geschmacklos und fragwürdig. - Der Film wird zwar nicht mehr gestartet, hier trotzdem die Kritik:

Webseite: www.sonypictures.de

USA 2014
Regie: Evan Goldberg, Seth Rogen
Buch: Dan Sterling
Darsteller: James Franco, Seth Rogen, Lizzy Caplan, Randall Park, Diana Bang, Timothy Simons, Reese Alexander
Länge: 112 Minuten
Verleih: SONY
Kinostart: abgesagt!
 

FILMKRITIK:

Filme über Politiker zu drehen, die noch im Amt sind ist an sich schon ungewöhnlich. Aber einen Film zu drehen, bei dem ein amtierender Präsident ermordet werden soll ist dann doch noch etwas anderes. Doch genau darum geht es in Evan Goldberg und Seth Rogen schwarzer, bitterböser und vulgärer Satire „The Interview“, in der zwei amerikanische TV-Persönlichkeiten vom CIA gebeten werden, anlässlich eines Interviews den nordkoreanischen Präsidenten Kim Jung-Un zu ermorden. Das ist eigentlich so absurd, dass man es nicht ernst nehmen kann, doch aus irgendwie verständlichen Gründen ist Nordkorea nicht begeistert über die Existenz dieses Films.

Ob Nordkorea hinter dem Hacker-Angriff auf das Computersystem der Produktionsfirma SONY stand, ist nicht endgültig geklärt, in jedem Fall haben die fortwährenden Angriffe zumindest zur Absage des Kinostarts geführt. Eine wohl einmalige Situation, aber auch verständlich, wird das amerikanisch-nordkoreanische Verhältnis durch diesen Film sicherlich nicht besser werden. Doch worum geht es? „The Interview“ erzählt vom selbstgefälligen Talkshow-Moderator Dave Skylark (James Franco), der sich mit seichten Promi-Interviews einen Namen gemacht hat. Sein Produzent Aaron Rapaport (Seth Rogen) geniest zwar auch den Erfolg, vermisst jedoch Respekt. Den versucht das Duo durch ein spektakuläres Interview zu bekommen und zwar mit dem notorisch isolierten, öffentlichkeitsscheuen nordkoreanischen Präsidenten Kim Jung-Un (Randall Park). Da dieser laut Wikipedia ein großer Fan von Skylarks Sendung ist, lässt sich das Interview auch überraschend schnell arrangieren, was wiederum den CIA auf den Plan ruft. Die Agentin Lacey (Lizzy Caplan) bittet Dave und Aaron die Gelegenheit zu nutzen, Kim im Namen des nationalen Interesses umzubringen, ein Angebot, dass das Duo nicht ablehnen kann. In Nordkorea angekommen erweist sich Kim zunächst jedoch als jovialer Mann, der mit Skylark Basketball spielt, Panzer fährt und Katy Perry-Songs hört, doch bald realisiert auch Skylark, dass er es mit einem üblen Diktator zu tun hat.

Schwer zu sagen, was die eigentliche Intention war, die Evan Goldberg, Seth Rogen und James Franco, die schon beim letztjährigen Endzeit-Film „This ist the End“ erfolgreich zusammengearbeitet hatten, mit diesem Film bezwecken. Einerseits ist es eine typische vulgäre Komödie, die in erstaunlichem Maße Analfixiert ist und das Einführen von allerlei Objekten in Körperöffnungen geradezu zelebriert. Andererseits spielt „The Interview“ auch auf interessante Weise mit James Francos öffentlicher Figur als Selbstdarsteller und vor allem seiner Sexualität: „The Interview“ als homoerotisch zu bezeichnen wäre noch untertrieben, was insbesondere für das Verhältnis von Kim Jung-Un und Dave Skylark gilt, die zumindest für kurze Zeit die besten Freunde werden.
Hier scheint sich der Film dann gar zu einer durchaus ambitionierten Darstellung eines Diktators zu entwickeln, der in der Öffentlichkeit ausschließlich durch die Perspektive der westlichen Medien wahrgenommen wird. In diesen Momenten bekommt auch die auf militärische Konfrontation abzielende amerikanische Außenpolitik ein paar Seitenhiebe ab, was „The Interview“ in einigen Szenen tatsächlich geradezu subversiv erscheinen lässt. Meist jedoch ist der Humor brachial und nicht immer komisch, von der nicht unproblematischen Verwendung eines politischen Mordes zu Unterhaltungszwecken an einer noch regierenden Persönlichkeit einmal ganz abgesehen.

Als Film ist „The Interview“ eine merkwürdige Mischung: Teils gelungene Satire, teils vulgäre Klamotte, teils befremdliche Phantasie. Als kulturelles Ereignis, das ungeahnte Reaktionen weit über den eigentlichen Film heraus ausgelöst hat und vielleicht sogar zu diplomatischen Verstrickungen führt, ist er fraglos einer der ungewöhnlichsten Filme jüngerer Vergangenheit.
 
Michael Meyns