The Killer

Es gibt auch Comic-Verfilmungen abseits von Superhelden. Solche, die man eigentlich gar nicht erkennt. Wie David Finchers „Der Killer“, der auf den Comics von Matz und Luc Jacamon basiert. Was der Regisseur nach einem Skript von Andrew Kevin Walker daraus gemacht hat, ist nicht nur ein extrem dicht erzählter Film, sondern auch die intellektuelle Antwort auf „John Wick“.

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USA 2023
Regie: David Fincher
Buch: Andrew Kevin Walker
Darsteller: Michael Fassbender, Tilda Swinton, Charles Parnell

Länge: 118 Minuten
Verleih: 24 Bilder Filmagentur
Kinostart: 26. Oktober 2023

FILMKRITIK:

Der Killer wartet in einem Zimmer in Paris. Tagelang beobachtet er das Haus gegenüber. Er wartet und er erzählt davon, was es heißt, dieses Leben zu führen. Die Langeweile, die Regeln, die Dinge, auf die man aufmerksam reagieren muss. Als er schließlich zum Schuss kommt, verfehlt er. Der Killer flieht, aber in diesem Gewerbe ist ein nicht vollendeter Auftrag gefährlich. Andere Killer werden auf ihn angesetzt, aber sie treffen nicht ihn, sondern seine Freundin. Und so begibt sich der Killer auf einen Rachefeldzug.

Die ersten gut 20 Minuten spielen fast nur in jenem Haus, in dem der Killer auf sein Opfer wartet. Das ist unterlegt von einem lakonischen Kommentar. Der Killer spricht praktisch mit dem Publikum, sagt seine Regeln auf, erklärt, worauf es zu achten gibt, zeigt, welche Hürden dieser Job mit sich bringt. Es ist ein sehr intimer Anfang, der tief in die Psyche dieses Mannes blicken lässt. Er ist ein Einzelgänger, jemand, der eigentlich immer allein sein sollte, aber überraschenderweise doch einen Menschen im Leben hat. Als dieser Mensch bedroht wird, bricht er eine Regel. Er zieht nicht für Geld in den Kampf, sondern weil es diesmal persönlich ist.

Der Film ist in sechs Kapitel und einen Epilog unterteilt. Immer steht Michael Fassbenders Figur, über die man so gut wie nichts weiß, im Fokus. Man erlebt mit, wie ein solches Leben aussehen kann. Vielleicht auch aussehen muss. Das ist klassisch. Der Killer als einsamer Wolf. Aber dieser Killer ist kein John Wick und der Film kein Actionfeuerwerk, sondern ein intensiv erzählter Thriller, der nur einmal einen Kampf bietet – der wiederum kommt mit Wucht daher, weil er sich nicht nach Kino anfühlt, sondern authentisch wirkt.

Es gibt Anflüge von leisem Humor – wenn der Killer ein ganz und gar nicht beherztes „Fuck“ nach misslungener Mission ausstößt oder sich irrt, was die Überlebensfähigkeit eines Mannes betrifft. Vor allem aber präsentiert Fincher einen knallharten Thriller, in dem Figuren erstaunlicherweise über ihre Funktion (der Klient, der Anwalt, der Brutalo etc.) kaum definiert werden, aber das reicht.

Michael Fassbender spielt mit immenser Zurückhaltung. Er verzieht kaum jemals das Gesicht, er spricht relativ leise und monoton – wenn er denn abseits seines Off-Kommentars überhaupt spricht. Die Szene mit Tilda Swinton ist wiederum elektrisierend. Großes Schauspielkino, bei dem sie den Dialog führt, während Fassbenders Figur weiterhin den großen Schweiger gibt.

Die Geschichte ist einfach gestrickt, im Grunde vollkommen unoriginell, aber die Umsetzung macht’s. „Der Killer“ ist ein von der ersten Minute in den Bann ziehender Film, der kaum Wünsche offenlässt.

 

Peter Osteried