Einen Künstler, den sie nicht so recht einzuordnen wissen, bezeichnen die Medien gern als Phänomen. Der Musiker und Entertainer Helge Schneider geistert seit Jahrzehnten als ein solches „Phänomen“ über Bühnen, Leinwände und Fernsehschirme, nicht zuletzt, weil er sich selbst aktiv jeder Kategorisierung entzieht, wozu auch sein autobiographischer Dokumentarfilm „The Klimperclown“ beiträgt, den Schneider zusammen mit seinem langjährigen Bandkollegen Sandro Giampietro quasi im Alleingang gedreht und montiert hat. Wie Schneiders Bühnen- und Talkshow-Auftritte ist „The Klimperclown“ ein großes, zwischen Ernst und Unsinn, Anspruch und Blödelei changierendes Vexierspiel.
Über den Film
Originaltitel
The Klimperclown
Deutscher Titel
The Klimperclown
Produktionsland
DEU
Filmdauer
82 min
Produktionsjahr
2025
Produzent
Schneider, Helge / Giampietro, Sandro
Verleih
Filmwelt Verleihagentur GmbH
Starttermin
07.08.2025
Formal lehnt sich „The Klimperclown“ an das klassische Dokumentar-Biopic an. Helge Schneiders Lebens- und Karrieregeschichte wird anhand von Original-Filmmaterial erzählt, begleitet von einem Voiceover-Kommentar von Schneider persönlich. Zeitlich konzentriert sich der Film auf Schneiders Jugend in Mülheim an der Ruhr, auf die zahllosen Gelegenheitsjobs, die er damals hatte, auf seine ersten musikalischen Gehversuche bis zu seinem Durchbruch Anfang der Neunziger Jahre. Außerdem wurde neues Material gedreht – Statements von Weggefährten und Zeitzeugen und in den Film hineingeschnitten. So weit, so normal, möchte man meinen, aber was ist bei Helge Schneider schon normal? Bereits am Anfang des Films stellt Helge Schneider klar, dass es mit dem Wahrheitsgehalt mancher Szenen vermutlich nicht weit her ist: „Originalaufnahmen wechseln mit gelogenen ab.“ Und richtig, spätestens wenn Angelo Kelly sich als Helge Schneiders Schlagzeug-Roadie outet und sich über dessen autoritäres Gehabe beklagt, weiß man, dass man ins Helge-Schneider-Wunderland geraten ist.
Es wäre jedoch vorschnell, den „Klimperclown“ in Helge Schneiders übliche „Jazz und Unfug-Ecke“ einzusortieren. Dazu ist der Film – trotz allen schrägen Gags und der omnipräsenten Flunkerei – viel zu persönlich geworden. Das fängt bei den Super-8-Familienfilm-Ausschnitten an, die den ganz jungen Helge mit seinen Eltern zeigen und demonstrieren, wie sehr Schneider im Ruhrgebiet mit seiner gelegentlich doch sehr eigenwilligen Sprachkultur verwurzelt ist. Und wenn Schneider von seiner „Eduscho-Uni“ erzählt – er hat als junger Mann sehr viel Zeit beim Kaffeetrinken und Menschenbeobachten beim früheren Tchibo-Konkurrenten Eduscho verbracht – wird einem plötzlich klar, dass vieles, was man bisher für Anarcho-Blödelei hielt, in Wirklichkeit liebevoll dem Leben abgelauscht wurde. Ein echter Leckerbissen für Fans und Helge-Schneider-Neuentdecker sind die zahlreichen Videoclips aus Konzerten und Shows in den 80er Jahren. In einigen Privatvideos zeigt Helge Schneider dann, dass er auch ganz anders kann: Auf Aufnahmen von Schneider in seiner zweiten Heimat Südspanien könnte er glatt als lässig gelassener, in sich ruhender Einheimischer durchgehen …
In einer Helge-Schneider-Doku darf natürlich der Jazz nicht fehlen. Helge Schneider drumt, spielt Gitarre, betastet souverän die Hammond-Orgel (dass er Ehrenmitglied in einem Chicagoer Orgelclub ist, lassen wir ihm einfach mal so durchgehen) und singt, dass es nur so seine Bewandtnis hat.
Natürlich – und das ist ausdrücklich als Empfehlung UND als Warnung zu verstehen – ist „The Klimperclown“ nur etwas für Menschen, die Helge Schneider mögen. Die werden (zu Recht) begeistert sein. Wer mit Helge Schneiders ureigener, über Jahrzehnte perfektionierter Mischung aus Skurrilitäten und swingender Musik, die von einem stellenweise extrem tiefliegendem Humor zusammengehalten wird, wird mit „The Klimperclown“ eher weniger zum Helge-Schneider-Fan werden, gehört aber auch nicht unbedingt zur Zielgruppe. Für Schneider-Fans hingegen, von denen es viele gibt, ist dieser Film ein großes Geschenk, das sie nicht nur erfreut annehmen, sondern auch mit Sicherheit nicht nur einmal, sondern gleich mehrmals anschauen werden. Denn es gibt wirklich viel zu entdecken in diesem Film.
Gaby Sikorski