The Knocking

Zum Vergrößern klicken

Und immer wieder grüßt die Finsternis: Angst und Unbehagen scheinen in der skandinavischen Einsamkeit besonders gut gedeihen zu können. Das zumindest legen viele Filme und Serien aus dem hohen Norden nahe, in denen es oft abgründiger zugeht als anderswo. Auch „The Knocking“, das Regiedebüt des Werbespezialisten Joonas Pajunen und des Schriftstellers Max Seeck, gibt sich alle Mühe, ein Gefühl durchdringender Verunsicherung in den Kinosaal zu transportieren. Einige Zeit funktioniert das recht überzeugend. Zum Ende hin verliert der Gruselthriller jedoch spürbar an Wirkung.

Webseite: https://www.alamodefilm.de/kino/detail/the-knocking.html

Koputus
Regie: Joonas Pajunen und Max Seeck
Drehbuch: Joonas Pajunen und Max Seeck
Darsteller: Saana Koivisto, Inka Kallén, Pekka Strang, Linnea Skog, Niko Saarela, Mikko Leppilampi, Olga Temonen, u. a.

Länge: 89 Minuten
FSK: ab 16 Jahren
Verleih/Vertrieb: Alamode Film
Kinostart: 22.06.2023

FILMKRITIK:

Es ist wie so oft. Die Schatten der Vergangenheit lassen sich nicht vertreiben: Viele Jahre nach der Ermordung ihres Vaters (Niko Saarela) und dem spurlosen Verschwinden ihrer Mutter (Olga Temonen) finden sich die Geschwister Matilda (Saana Koivisto), Maria (Inka Kallén) und Mikko (Pekka Strang) in ihrem abgelegenen Elternhaus, dem Ort des damaligen Schreckens, ein, um ihr Erbe abzuwickeln. Geplant ist der Verkauf des weitläufigen Anwesens. Doch schon kurz nach ihrer Ankunft kommt es zu seltsamen Geschehnissen, die das notdürftig verdrängte Grauen mit aller Macht wieder an die Oberfläche zerren. Irgendetwas, so scheint es, lauert im Dickicht rund um das alte Gebäude und wartet nur darauf, Besitz von den Protagonisten zu ergreifen.

Spuren schrecklicher Ereignisse, die sich in die Natur eingeschrieben haben – „The Knocking“ erinnert ein wenig an den deutschen Mystery-Thriller „Schweigend steht der Wald“, in dem eine von Henriette Confurius gespielte Forstpraktikantin durch ungewöhnliche Bodenproben auf ein dunkles Geheimnis in der bayerischen Provinz aufmerksam wird. Der stets mürrisch dreinblickende Mikko ist als Dendrologe ein Spezialist auf dem Gebiet der Gehölze und berichtet zu Beginn ein wenig von seiner fast detektivischen Arbeit. Obwohl die Bäume in der Umgebung des Elternhauses, wie sich rasch zeigen wird, eine nicht unwesentliche Rolle spielen, ziehen die auch für das Drehbuch verantwortlichen Regisseure nur wenig echten Nutzen aus Mikkos Expertenwissen. Warum ihm einen solch ausgefallenen Beruf geben, wenn man ihn dann bloß halbherzig mit der Handlung verzahnt?

Überzeugender agieren die Filmemacher, was den Aufbau einer ungemütlich-gruseligen Atmosphäre anbelangt. Übernatürliche Elemente, laute Schockeffekte kommen dabei zunächst lediglich sporadisch zum Einsatz. Statt auf die Pauke zu hauen, wie es so viele Horrorregisseure heutzutage praktizieren, vertraut das Duo auf die Kraft des dunklen Waldes, lässt hier und da bedrohlich grollende Musik erklingen, zitiert mit einer rastlosen Kamerafahrt durchs Unterholz den Klassiker „Tanz der Teufel“ und zieht zunächst vor allem aus dem frostigen Verhältnis der Geschwister und dem in Rückblenden enthüllten bedrückenden Familienalltag Spannung für die Geschichte. Das Trauma lastet schwer auf den Dreien, die unübersehbar Probleme haben, offen miteinander zu reden. Ständig liegt Unausgesprochenes in der Luft. Und Lügen treten mit der Zeit zu Tage. Eine denkbar schlechte Basis, um gemeinsam gegen das herannahende Unheil anzukämpfen.

Zwischen den Zeilen klingt mehrfach ein ökologischer Gedanke an. Die Rücksichtslosigkeit des Menschen, seine Profitgier und die Unfähigkeit, die Natur zu achten, kommen zur Sprache. Allerdings verlieren die Überlegungen mit zunehmender Dauer an Ausdruckskraft, da „The Knocking“ im letzten Drittel dann doch verstärkt in den Modus vieler aktueller Horrorfilme schaltet. Die Schreckmomente werden aufdringlicher, während Vergangenheit und Gegenwart auf eher konfuse Weise verschmelzen. War vorher ob der Sprachlosigkeit, des stets greifbaren Misstrauens handfeste Beklemmung angesagt, macht sich nun etwas Gleichgültigkeit breit. Der Bezug zu den Figuren geht ausgerechnet dort ein Stück weit verloren, wo er sich intensivieren sollte. Pajunen und Seeck haben zweifelsohne ein Gespür für unangenehme Stimmungen. Die Eskalation gerät aber zu fahrig, um das Publikum mit dem alles andere als versöhnlichen Schlusspunkt wirklich zu erschüttern.

 

Christopher Diekhaus