In Las Vegas ereignen sich nur zwei Arten von Geschichten. Entweder die total schrillen, hemmungslos lustig-chaotischen, oder die ganz harten existenziellen Dramen. „Hangover“ oder „Leaving Las Vegas“, dazwischen gibt es nichts, und auch „The Last Showgirl“ entzieht sich dem nicht. Geboten ist das Drama eines alten Showgirls, das am Ende ihres Karrierewegs steht. Nichts Neues in Vegas also, außer, dass Hauptdarstellerin Pamela Anderson überrascht, weil sie tatsächlich eine verdammt gute Schauspielerin ist.
Webseite: https://constantin.film/kino/the-last-showgirl/
USA 2024
Regie: Gia Coppola
Buch: Kate Gersten
Darsteller: Pamela Anderson, Brenda Song, Kiernan Shipka
Länge: 85 Minuten
Verleih: Constantin Film Verleih
Kinostart: 20. März 2025
Shelly ist seit mehr als 30 Jahren Tänzerin der Razzle-Dazzle-Show, aber damit ist bald Schluss. Denn die Show wird abgesetzt, weswegen sich ihre Kolleginnen neue Jobs suchen. Auch Shelly ist auf der Suche, aber mit fast 60 Jahren kommt sie für neue Tanz-Engagements nicht mehr in Frage. Jahrzehnte hat sie ihren Traum gelebt, und dem alles geopfert, auch die Beziehung zu ihrer Tochter Hanna. Am Ende dieses Wegs bleibt die Frage: Was tun mit dem Rest des Lebens, wenn alles, was einen definiert hat, das gute Aussehen und der lüsterne Blick der Zuschauer war…
Es ist nicht so, dass man ähnlich gelagerte Geschichten nicht schon häufig gesehen hätte. Nicht nur darüber, dass Las Vegas, die Stadt der Sünde, die Träumer anlockt, zerkaut und wieder ausspuckt, sondern auch, dass zwischen einem Elternteil und dem Nachwuchs eine enorme Entfremdung stattgefunden hat. „The Last Showgirl“ kann so nicht mit einer wirklich originellen Geschichte punkten, aber dafür hat er Pamela Anderson. Die war schon seit ewigen Zeiten in keiner Star-Rolle mehr zu sehen, spielt sich hier aber auf eine Art die Seele aus dem Leib, die eindrucksvoll ist. Denn in früheren Rollen konnte oder durfte Anderson gar nicht zeigen, was in ihr steckt. Hier ist sie so gut, dass es zu einer Golden-Globe-Nominierung kam und sie sich tatsächlich Oscar-Hoffnungen machen darf. Alleine das hebt den Film dann doch über das Gros.
Er setzt in seiner Darstellung auf Realismus. Triste Farben, kühle Wirkung, so gefilmt, dass die Hässlichkeit von Las Vegas zur Geltung kommt, wenn die Fassade bröckelt. Aber gerade die Kamera ist nicht uneingeschränkt zu loben. Man muss schon mögen, was hier geboten wird, denn mit Fischaugenoptik sind die Ränder häufig verschwommen, und nicht nur das, es gibt auch Totalen, die in totaler Unschärfe daherkommen. Eine künstlerische Entscheidung vielleicht, aber sie lenkt von der Geschichte ab. Sie erfüllt keinen Zweck, im Selbstzweck ist sie jedoch vor allem prätentiös. Weil Kunst wohl so aussehen muss.
Mit 85 Minuten ist der Film etwas kurz. Dabei gäbe es Momente, die man weiter ausgeführt sehen wollen würde. Auf der einen Seite hat man Shelly und ihre Tochter Hanna, deren Annäherung eher holprig ist, auf der anderen Seite die von Kiernan Shipka gespielte 19-jährige Jodie, die auf ihrer Art ihrer Mutter entfremdet ist. Sie hat ihre Tochter verstoßen, als diese ein Showgirl in Las Vegas werden wollte. Es gibt eine prägnante Szene mit Shelly und Jodie, die die verkehrten Rollen zeigt, aber es ist ein zu kurzer Moment. Hier steckt eine Geschichte, die eigentlich interessanter ist, als das standardisierte Drama, das „The Last Showgirl“ ansonsten abspielt.
Gut ist der Film dennoch. Wegen Anderson, aber auch dem übrigen Ensemble – darunter Dave Bautista, der abtrainiert hat und nicht mehr der Muskelberg von früher ist, damit aber auch mehr zeigen kann, was schauspielerisch in ihm steckt.
Allem Unken zum Trotz: „The Last Showgirl“ ist ein packendes Drama vor der Kulisse einer Stadt, in der das einzige Happyend wohl eines ist, das sich im Massagesalon finden lässt.
Peter Osteried