The Limehouse Golem

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Zwischen Serienkiller-Schocker und feministischem Drama bewegt sich Juan Carlos Medina in „The Limehouse Golem“, einem reich ausgestatteten, stimmungsvollen Film mit Bill Nighy in der Hauptrolle. Historische Figuren aus der britischen Theaterszene des späten 19. Jahrhunderts werden mit einer überbordenden, fiktiven Handlung verknüpft, die oft ein wenig zu viel, in ihrer Vielfalt aber spannend ist.

Webseite: www.limehousegolem-film.de

GB 2017
Regie: Juan Carlos Medina
Buch: Jane Goldman, nach dem Roman von Peter Ackroyd
Darsteller: Bill Nighy, Olivia Cooke, Sam Reid, Douglas Booth, Eddie Marsan, Daniel Mays, Mariá Valverde
Länge: 109 Minuten
FSK: ab 16 J.
Verleih: Concorde
Kinostart: 31. August 2017

FILMKRITIK:

Ein Serienkiller treibt im Londoner Theaterbezirk, dem Limehouse, sein Unwesen. Als Golem wird der unbekannte Killer bezeichnet, in Anlehnung an die Gestalt aus der jüdischen Mythologie. Doch noch ein anderer Todesfall erschüttert die Theaterwelt: Der Journalist und Autor John Cree (Sam Reid) wurde ermordet, als Täterin ist schnell seine Frau Elizabeth (Olivia Cooke) ausgemacht, die im Kerker auf ihre Hinrichtung wartet.

Allein der Scotland Yard Polizist John Kildare (Bill Nighy) vermutet, dass Elizabeths Tat möglicherweise kein Mord, sondern Notwehr war. Bald beginnt Kildare sogar zu vermuten, dass der Tod von John Cree mit den Morden des Limehouse Golem verknüpft ist, gerade da alle Spuren in das Theater führen, in dem auch Elizabeth ein Star war. Dieses Etablissement wird von Onkel (Eddie Marsan) geführt – zumindest bis auch dieser das Zeitliche segnet – der größte Star ist Dan Leno (Douglas Booth), ein attraktiver Schauspieler, der bevorzugt in Frauenkleidern auftritt. Unter zunehmendem Zeitdruck treibt Kildare seine Ermittlungen voran, immer mit dem Ziel vor Augen, Elizabeth vor dem Galgen zu retten.

Ein typisch postmoderner Roman ist der 1994 erschienene „Dan Leno and The Limehouse Golem“, in dem der britische Autor Peter Ackroyd historische Figuren in ein fiktives Setting versetzt. Neben dem damaligen Theaterstar Dan Leno taucht da etwa auch Karl Marx auf, der zur Zeit der Handlung, die im London des Jahres 1880 spielt, tatsächlich in der englischen Hauptstadt lebte. Ob er dabei auch in die damals verruchte Welt des Theaters eintauchte ist weniger entscheidend, als der Bezug zu Marx Texten und Thesen über den Klassenkampf, die in Roman und Film mitschwingen.

Gerade die Rolle der Frau in der Gesellschaft ist das eigentliche Thema des „Limehouse Golem“, man könnte sogar so weit gehen, die Frauen, besonders Elizabeth als Variante des klassischen Golem zu betrachten, als Wesen, die aus den Wünschen und Begierden der Männerwelt geformt sind, deren eigene Persönlichkeit unterdrückt wird, die benutzt und oft missbraucht werden. In langen Rückblenden, in denen Elizabeths harte Kindheit geschildert wird, ihr Versuch, im Theater eine Heimat zu finden, wird dieses Thema vertieft, in melodramatischen Szenen, die im starken Kontrast zu der anderen Ebene des Films stehen, der Serienkillergeschichte.

Hier spritzt im wahrsten Sinne des Wortes das Blut, bedient sich Juan Carlos Medina klassischer Thriller-Momente, um eine Atmosphäre wie im typisch gotischen Horrorfilm zu erzeugen. Ein wenig laufen diese beiden Ebenen auseinander, bleiben nebeneinander stehen, so dass „The Limehouse Golem“ wie zwei Filme wirkt, die parallel laufen: Ein reiner Genrefilm, der in atmosphärischen Bildern die Jagd auf einen Serienkiller schildert und ein Drama, das von Klassengegensätzen und Unterdrückung erzählt. Ganz zusammen finden diese beiden Ebenen zwar nicht, doch beide sind für sich reichhaltig genug, dass „The Limehouse Golem“ trotz seiner oft etwas zerfahrenen Art ein vielschichtiger, spannender Film geworden ist.
 
Michael Meyns