The Master

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Als Scientology-Expose wurde Paul Thomas Andersons „The Master“ schon vor seiner Premiere angekündigt, doch das Ergebnis ist gleichzeitig mehr und weniger. Denn so eindrucksvoll Bildgestaltung und schauspielerische Darbietungen auch sind (zumindest wenn man exaltiertes Spiel mag), so fahrig ist „The Master“ auf inhaltlicher Ebene. Ein Film, der sich irgendwo zwischen meisterlich und selbstverliebt positioniert.

Webseite: www.senator.de

USA 2012
Regie, Buch: Paul Thomas Anderson
Darsteller: Joaquin Phoenix, Philip Seymour Hoffman, Amy Adams, Laura Dern, Jesse Plemons
Länge: 137 Minuten
Verleih: Senator
Kinostart: 21. Februar 2013

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

So ausufernd die Handlung von Paul Thomas Andersons „Boogie Nights“ oder „Magnolia“ war, so schlicht ist die Erzählung von „The Master“: Nach dem Zweiten Weltkrieg will der Soldat Freddie Quell (Joaquin Phoenix) im zivilen Leben Fuß zu fassen. Seine Alkohol- und Sexsucht verhindert jedoch immer wieder den Sprung in die Normalität der Gesellschaft. Erst als er den charismatischen und mysteriösen Lancaster Dodd (Philip Seymour Hoffman) trifft, scheint sich ihm eine neue Welt zu öffnen. Dodd ist Begründer einer Sekte namens „The Cause“, die Freddie gleichermaßen anzieht und abstößt. Nach langem hin und her löst sich Freddie von seinem Ersatz-Vater und wird fortan versuchen, auf eigenen Füßen zu stehen.

Das hört sich recht profan an und ist auch nicht besonders aufregend. Zumal Anderson ganz bewusst auf erzählerische Höhepunkte verzichtet, keine klassische Dramaturgie benutzt, mittels Schnitt und Musik einen Sog erzeugen will, der das Innenleben seiner Figuren auf der Leinwand sichtbar macht. Doch das gelingt nur bedingt. Was die Figuren antreibt, warum es Freddie so schwer fällt, einen Platz in der Gesellschaft zu finden und vor allem was Lancaster bewegt, eine Sekte zu gründen, all diese Fragen bleiben offen, darf, muss, kann der Zuschauer mit eigenen Projektionen füllen.

Nur, zwei, drei Mal wird Anderson explizit und diese Szenen wirken dementsprechend wie Fremdkörper in einem ansonsten so unfassbaren Film: Wenn da bei einer Party Lancaster von einem Kritiker auf die Widersprüche seiner Ideologie hingewiesen wird und er zunehmend unwirsch und aggressiv reagiert, fühlt sich das wie ein Holzhammer an. Dieses unbestimmte Verhältnis von „The Master“ zu Scientology ist eines der größeren Probleme des Films: Einerseits sind die Bezüge zwischen Dodd und Scientology- Gründer L. Ron Hubbard unübersehbar, ähneln sich ihre Methoden und selbst die Titel ihrer Bücher („The Split Saber“ hier, „Excalibur“ da), doch andererseits geht es Anderson um viel mehr als die Entlarvung einer spezifischen Sekte. Die Suche nach Sinn, nach einem Leitfaden, einem Führer durch die Unwägbarkeiten der menschlichen Existenz ist das bestimmende Motiv seines Films. Und dabei ist es egal ob es Sex, Alkohol, Religion oder eben eine befremdliche Sekte ist, die Geborgenheit verspricht.

Ziellos driftet Joaquin Phonix Figur durch das Nachkriegsamerika, versucht sich mal als Fotograf, schlägt sich als Erntehelfer durch, bis er auf Lancasters Boot landet, das sinnigerweise „Wahrheit“ heißt. Dass er selbige beim charismatischen Sektenführer nicht findet, ist wenig überraschend, führt jedoch dazu, dass „The Master“ ein narrativer Bogen, Katharsis oder Charakterentwicklung fehlt. Am Anfang ist Freddie ein Sinnsuchender, am Ende ist Freddie ein Sinnsuchender. Um das zu erzählen braucht Anderson 140 Minuten, die er mit brillanten Bildern füllt, impressionistischen Aufnahmen, die ein perfekt nachgeahmtes Amerika der 50er Jahre evozieren, das bis ins Detail authentisch ist, getragen von Johnny Greenwoods atonaler Musik – und vor allem den Schauspielern.

War es in „There will be Blood“ noch Daniel Day-Lewis allein, der sich zu Exzessen des Schauspiels schraubte, sind es hier mit Joaquin Phoenix und Philip Seymour Hoffman zwei Größen des Method Acting, die nichts auslassen: Da wird gehumpelt, chargiert, gestikuliert, empathisch gesprochen, Augen verdreht und Lippen verzogen, dass es eine wahre Freude ist. Als manieristischer Schauspiel-Workshop ist „The Master“ außerordentlich, gerade in ihren vielen Dialog-Szenen puschen sich Phoenix und Hoffman immer wieder zu exaltierten Höchstleistungen an. Doch so faszinierend dieses Schauspiel-Duell auch ist, so makellos Bildgestaltung und Inszenierung komponiert sind: Was bleibt in der Essenz von „The Master“ übrig? Alles und Nichts, könnte man sagen: Philosophische Fragen, die Suche nach dem Sinn des Lebens, aber auch eine mäandernde Erzählung, die keinerlei Position bezieht und sich selbst genügt. Ein bemerkenswerter Film ist „The Master“ ohne Frage, ob man ihn schätzt oder banal findet hängt wohl in erster Linie davon ab, wie man selbst die losen Versatztücke, die Anderson auf Hochglanz inszeniert hat, zusammensetzt und mit Bedeutung füllt.

Michael Meyns

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