The Menu

Zum Vergrößern klicken

Essen kann mörderisch sein, wie man aus vielen Krimis und mancher Gesellschaftssatire weiß. Die betuchten Gäste in Mark Mylods Thriller-Satire „The Menu“ ahnen nicht, worauf sie sich eingelassen haben, als sie an einem verdächtig einsamen Ort zum Essen einfinden, doch bald serviert der von Ralph Fiennes gespielte Koch ein blutiges Menü.

USA 2022
Regie: Mark Mylod
Buch: Seth Reiss, Will Tracy
Darsteller: Ralph Fiennes, Anya Taylor-Joy, Nicholas Hoult, Hong Chau, Janet McTeer, Judith Light, John Lequizamo, Reed Birney

Länge: 106 Minuten
Verleih: Disney
Kinostart: 17. November 2022

FILMKRITIK:

Per Schiff geht es auf eine einsame Insel, die auch als Gemüse- und Gewürzgarten für die Zutaten dient, die der Koch Slowik (Ralph Fiennes) in seinem Edelrestaurant Hawthorne verkocht. Ach was kochen: Slowik ist ein Poet am Herd, der eine Art Molekularküche auf Speed leitet, seine Angestellten wie ein Spieß auf Trab hält und nun zu einem ganz besonderen Menü eingeladen hat.

Zwölf betuchte Gäste haben sich in dem streng designten Gebäude eingefunden, jeweils über 1000 Dollar für das Vergnügen bezahlt, winzige Portionen vorgesetzt zu bekommen, deren Verspeisen weniger Zeit kostet, als die Aufzählung der überaus exotischen Zutaten. Ganz in seinem Element ist hier der Food-Blogger Tyler (Nichols Hoult), der sein Date Margot (Anya Taylor-Joy) kaum zu Wort kommen lässt, wenn er vom Genie des Kochs schwärmt.

Ebenfalls zu Gast sind die abgestumpfte Restaurantkritikerin Lillian (Janet McTeer) und ihr Redakteur, ein abgehalfterter Filmstar (John Leguizamo) und seine Assistentin (Aimee Carrero) und drei selbstgefällige Banker (Arturo Castro, Rob Yang, and Mark St. Cyr).

Die einzige, die dem betont aufgesetzten Treiben mit Skepsis begegnet ist Margot, die nur zufällig in den fragwürdigen Genuss des Menüs kommt – und es fast mit ihrem Leben bezahlt.

Wenn die Gäste zu Beginn ein Schiff betreten und sich anschließend in einem abgeschlossenen Raum satirische Bösartigkeiten um die Ohren hauen, fühlt man sich unweigerlich an Ruben Östlunds „Triangle of Sadness“ erinnert. Sucht sich der Schwede den Kapitalismus als Ganzes als Ziel seiner Satire aus, zielt Mark Mylod auf die Welt der Foodies, jene Restaurantkultur, die sich mit immer ausgefeilteren Gerichten in einem gegenseitigen Überbietungswettbewerb befindet, der längst nicht mehr darauf gerichtet ist, schmackhafte Gerichte zu servieren, sondern möglichst perfekt aussehende, die dann auf Instagram möglichst spektakulär präsentiert werden. Was die Filme verbindet: Sie machen es sich einfach.

Sich über die Exzesse der Superreichen lustig zu machen ist ebenso wenig schwer, wie die Absurditäten der Foodies aufs Korn zu nehmen. Die blumigen Beschreibungen der Gerichte und ihrer möglichst exotischen Zutaten ist an sich schon fast satirisch, ebenso der elitäre Gestus, der nur darauf geeicht scheint, sich besonders zu fühlen. „Nicht Essen….Schmecken!“ sagt, Nein, befiehlt der Koch an einer Stelle und seine Jünger machen nur zu gern mit.

Phasenweise scheint es so, als würde sich das von Seth Reiss und Will Tracy geschriebene Drehbuch zu mehr aufschwingen, als sollten die Suaden des Kochs, der sich über die zunehmende Verflachung der Kochkultur beklagt, das bloße Suchen nach oberflächlichen Höhepunkten ohne Substanz, auf die Gesellschaft als ganzes Zielen. Oder zumindest als Anklage an das zunehmend oberflächliche Mainstream-Kino, dass nur noch auf Schauwerte setzt, aber keine Substanz mehr hat. Doch um wirklich als große Metapher zu funktionieren, hätte es Figuren bedurft, die weniger funktionell und schematisch angelegt sind. Allein die von Anya Taylor-Joy gespielte Margot, das Surrogat des Zuschauers, entwickelt Komplexität und Tiefe und dreht den Spieß bald um.

Eine große Gesellschaftssatire ist „The Menu“ am Ende nicht, kein neuer „Würgeengel“, kein modernes „Große Fressen“. Statt dessen begnügt sich Mark Mylod damit in glänzenden Bildern die Welt der Foodies aufs Korn zu nehmen und viel Spaß damit zu haben, bald in Thriller- bald in Horrorgefilde abzudriften. Ein Gourmetessen ist das zwar nicht, manchmal reicht aber ja auch ein Cheeseburger.

 

Michael Meyns