Die skurrile Dramödie zeigt das andere Ende des amerikanischen Traums: In der heruntergekommenen US-Kleinstadt Karmack bekommt der zurückhaltende Frank Farelli endlich einen neuen Job – er wird „Mittelsmann“ mit dem Auftrag, Todesnachrichten zu übermitteln.
In aller Ruhe und mit einer Ernsthaftigkeit, die eine gute Satire auszeichnet, erzählt Bent Hamer (1001 GRAMM, 2014) seine Geschichte von verlorenen und wiedergewonnenen Hoffnungen und von der Suche nach dem Sinn im Sinnlosen.
Webseite: https://www.pandorafilm.de
Norwegen, Kanada, Deutschland, Dänemark, 2021
Regie und Drehbuch: Bent Hamer
Darsteller: Pål Sverre Hagen, Tuva Novotny, Paul Gross, Don McKellar, Nicholas Bro, Nina Andresen
Kamera: John Christian Roselund
Musik: Jonathan Goldsmith
Länge: 95 Minuten
Verleih: Pandora
Kinostart: 17. November 2022
FILMKRITIK:
Eine vollkommen verbaute Landschaft mit einer Kleinstadt am Wasser, deren Strandlinie von Fabrikschornsteinen verunziert wird: Das ist Karmack, irgendwo im Westen der USA, dort wo die Industrie in den letzten 50 Jahren immer mehr zum Erliegen gekommen ist. Die Hauptstraße ist öde und verlassen, es gibt weder Geschäfte noch eine Straßenbeleuchtung, auch das einzige Kino ist geschlossen – wer an diesem Ort gelandet ist und bleibt, kann vom Leben nichts mehr erwarten. Immerhin gibt es noch ein Rathaus, in dem der Sheriff, der Pfarrer und der Arzt Bewerbungsgespräche führen. Es geht um die Schaffung eines neuen Jobs: Ein Mittelsmann wird gesucht, also jemand, der den Verwandten die schrecklichen Nachrichten vom Tod eines Menschen überbringt. Der Job ist einerseits nötig aufgrund der hohen Zahl von Unglücksfällen, andererseits aber auch, weil die drei Männer mit dieser Aufgabe überfordert sind. Frank Farelli, der immer noch bei seiner Mutter wohnt, hat sich beworben, und siehe da: Er wird eingestellt. Frank ist stolz, denn einerseits hat er sehr lange – seit der Schließung des Bahnhofs, wo er Fahrkarten verkaufte – auf eine neue Arbeit gewartet, andererseits erhält er nun auf Kosten der Stadt eine passende Ausrüstung: einen schwarzen Anzug, eine neue Lackierung für sein Auto und als Krönung ein eigenes Büro im Rathaus.
Doch der Start in den Job steht unter einem Unstern. Niemand verunglückt auf den finsteren Straßen, keiner kommt ums Leben, so dass Frank klagt: „Ich will nicht gleich wieder arbeitslos werden, nur weil die Leute ein paar Tage Glück haben.“ Schließlich möchte Frank sich in seinem Job bewähren, er will zeigen, was er kann. Immerhin findet er in der Sekretärin Brenda eine Freundin. Und bald schon wendet sich das Blatt, ein Unfall nach dem anderen geschieht, und Frank findet sich plötzlich in Situationen wieder, die ihn gleich in mehrfacher Hinsicht überfordern. Denn die Geschehnisse um ihn herum lassen sich plötzlich nicht mehr aufhalten.
Bent Hamer kommt schnell zur Sache. Er hält sich nicht lange mit Vorreden auf, sondern schickt seinen Helden wider Willen gleich dahin, wo’s wehtut. Der liebenswert schüchterne Frank wird bald hin- und hergerissen von seinem Stolz auf das neu gewonnene Renommee und der Furcht, den gerade gewonnenen Job gleich zu verlieren. Dabei macht er eigentlich alles falsch, was man nur falsch machen kann, dies aber mit großer Gelassenheit. Sehr beeindruckend ist dabei, wie Bent Hamer mit seiner Hauptfigur umgeht. Er nimmt diesen eigentlich bemitleidenswerten, aber sympathischen Kerl absolut ernst, macht sich weder über ihn noch über seine Situation lustig und schafft dabei eine beklemmende Atmosphäre, die von einem immer sinnloser werdenden Glauben an das Gute und wachsender Düsternis geprägt ist. Nicht nur der sehr leise und sehr schwarze Humor in dieser Story erinnert an David Lynchs TWIN PEAKS, wenn auch mit mit etwas weniger Horrorelementen, auch die unaufhaltsame Entwicklung, von der Frank überrascht und überfordert wird, hat einen ähnlich finsteren und leicht absurden Humor. Pål Sverre Hagen spielt den Frank mit stoischem Gleichmut als immer etwas linkischen Mann, der sich große Mühe gibt, seine Unsicherheit zu verstecken. Bei seinen Anstrengungen, sich durchzusetzen und sich – dem amerikanischen Traum entsprechend – regelkonform zu verhalten, zeigt Frank durchaus gute Ansätze, doch wie leicht kann es passieren, dass eine gut gemeinte Aktion aus dem Ruder läuft …?
Gaby Sikorski