Was auch immer man von Roman Polanksis Privatleben halten mag, dass der polnische Regisseur zu den Größen des Weltkinos zählt steht außer Frage. Was seinen neuen Film „The Palace“ umso erstaunlicher, ja geradezu rätselhaft erscheinen lässt, denn die zu Silvester 1999 spielende groteske Satire wirkt in einem Maße misslungen, die fast schon wieder bemerkenswert erscheint.
Italien/Schweiz/Polen/Frankreich 2023
Regie: Roman Polanski
Buch: Roman Polanski, Ewa Piaskowska, Jerzy Skolimowski
Darsteller: Oliver Masucci, Mickey Rourke, John Cleese, Fanny Ardent, Bronwyn James, Joaquim de Almeida, Luca Barbareschi, Milan Peschel, Fortunato Cerlino
Länge: 100 Minuten
Verleih: Weltkino
Kinostart: 18. Januar 2023
FILMKRITIK:
Die Schönen und Reichen haben es in diesen Tagen nicht leicht, zumindest nicht, wenn sie die Klatschpresse lesen oder die zahlreichen Fernsehserien oder Spielfilme anschauen, in denen auf meist satirische Weise gezeigt wird, wie eitel, selbstverliebt, ignorant etc. sich das reichste Prozent der Menschheit angeblich verhält. Vom Cannes-Gewinner „Triangle of Sadness“ über die Erfolgsserie „White Lotus“, bis zu Filmen wie „The Menu“ oder „Infinity Pool“ haben Filmemacher die Reichen bloßgestellt, im besten Fall auf pointierte und auch ein wenig mitfühlende Weise (am Ende sind schließlich auf die Reichen vor allem Menschen). Roman Polanski schlägt nun in dieselbe Kerbe, mit dem größten Unterschied, dass sein „The Palace“ nicht in der Gegenwart spielt, sondern am Silvesterabend 1999, als das neue Millennium vor der Tür stand und all die Hoffnung, die mit ihm verbunden war. Aber auch die Sorge vor dem mutmaßlichen Computervirus Y2K, der mit dem Datumswechsel sämtliche Computer crashen sollte, was bekanntermaßen nicht geschah. Was jedoch stattdessen im knappen Vierteljahrhundert des neuen Jahrtausends passierte – so mag man Polanski verstehen – war noch viel schlimmer.
Verantwortlich dafür waren größtenteils Menschen wie die, die Polanski in „The Palace“ vorführt. Nicht genüsslich, denn das hätte dem Publikum immerhin ein gewisses Vergnügen bereiten können, sondern mit unverhohlenem Abscheu, mit Hass.
Menschen wie den amerikanischen Milliardär Arthur William Dallas III (John Cleese) etwa, der über 90 Jahre alt ist, aber mit der jungen Magnolia (Bronwyn James) verheiratet ist und tatsächlich beim mit Viagra ermöglichten Koitus dahinscheidet. Oder die Marquise Constance Rose Marie de La Valle (Fanny Ardant), die ihren Hund mit Kaviar füttert, so dass dieser Magenprobleme bekommt und aufs Bett kackt. Oder der bizarr gebräunte und toupierte Mr. Crush (Mickey Rourke), der vor dem Ruin steht und den Y2K-Virus zur persönlichen Bereicherung nutzen will. Dazu kommen diverse bizarr geliftete alte Damen, ein ehemaliger Pornostar, russische Kriminelle und diverse andere Klischees.
Auf der anderen Seite stehen die Angestellten des Hotels, ein Gegensatz zwischen Reich und Arm, zwischen Oben und Unten, den man aus Jean Renoirs „Die Spielregel“, Robert Altmans „Gosford Park“ oder zahllosen anderen Filmen kennt. Der Hotelmanager Hansueli Kopf (Oliver Masucci) steht seinen Gästen bei allen tatsächlichen oder eingebildeten Problemen zur Verfügung, beweist aber immer wieder ein Herz für die Unterschicht.
Dass Polanski ein Händchen für Komödien hat, lässt sich nicht sagen, seine Versuche in diesem Bereich zählen zu den Tiefpunkten seiner Karriere und auch „The Palace“ kann nicht als gelungener Film bezeichnet werden. Kaum ein Gag zündet, kaum eine Figur entwickelt sich zu mehr als einem grob gezeichneten Klischee, für kaum einen seiner Charaktere scheint sich Polanski wirklich zu interessieren. Nachdem sein letzter Film „Intrige“ noch ein spätes Meisterwerk einer großen Karriere war, mag man nur hoffen, dass „The Palace“ nicht den Schlusspunkt in Polanskis Werk darstellt.
Michael Meyns