The real American – Joe McCarthy

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Was trieb den berüchtigten amerikanischen Politiker Joe McCarthy zu seinem manisch wirkenden Antikommunismus? Lutz Hachmeister nähert sich dieser Frage anhand von Archivaufnahmen, Interviews und den heutzutage bedauerlicherweise unvermeidlichen Nachstellungen in einem informativen Dokudrama, dem man etwas mehr Haltung gegenüber seinem Subjekt gewünscht hätte

Webseite: www.realfictionfilme.de

Deutschland 2011 - Dokumentation
Regie: Lutz Hachmeister
Buch: Lutz Hachmeister, Lutz Höller
Länge: 95 Minuten
Verleih: Real Fiction
Kinostart: 12. Januar 2012

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Viel ist in den letzten Jahrzehnten über den amerikanischen Senator Joeseph McCarthy geschrieben worden, der in erster Linie als erzkonservativer Kommunistenjäger in die Geschichte eingegangen ist. Die Mythen und Legenden, die sich um McCarthy ranken sind lang und wurden zuletzt durch George Clooneys Spielfilm „Good Night, and Good Luck“ neu aufgelegt. Insofern ist es ein durchaus interessanter Ansatz für eine Dokumentation zu versuchen, sich dem Phänomen McCarthy auf möglichst objektive Weise zu nähern. Schon der Titel „The Real American – Joe McCarthy“ deutet an, dass der Medienwissenschaftler und Filmemacher Lutz Hachmeister es sich zum Ziel gesetzt hat, einen etwas anderen Blick auf den Politiker zu werfen.

Dessen Karriere begann kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, als der damals 35jährige McCarthy in den amerikanischen Senat gewählt wurde. Zunächst verlief seine Karriere eher unauffällig und begann erst Anfang der 50er Jahre die Wendung zu nehmen, die McCarthy und den nach ihm und seinen Methoden benannten McCarthyismus zu einem Teil der amerikanischen Geschichte machten. Aus welchen Gründen der vor allem für seine trinkfestigkeit bekannte Senator zu diesem Zeitpunkt begann, sich als eingefleischter Kommunistenjäger einen Namen zu machen, ist die entscheidende Frage, die auch diese Dokumentation nicht endgültig beantworten kann. Die Aussagen vieler zeitgenössischer Beobachter legen jedoch den Schluss nahe, dass McCarthy aus reinem Opportunismus die zunehmende antikommunistische Stimmung Amerikas aufnahm, um seine Wiederwahl 1952 zu sichern. Das gelang auch so erfolgreich, dass McCarthy mit nahezu allen antikommunistischen Exzessen jener Zeit in Verbindung gebracht wird, auch wenn er in Wirklichkeit weder mit der Anklage gegen Spione wie die Rosenbergs oder Alger Hiss, noch der Kommunistenverfolgung in Hollywood etwas zu tun hatte.

Der Schaden, den McCarthy anrichtete, war dennoch enorm, oft willkürlich beschuldigte er Hochschullehrer, Außenamtsmitarbeiter und später auch die Armee und den Geheimdienst CIA von Kommunisten unterwandert zu sein. Ob allerdings die CIA aktiv McCarthy Demontage betrieb, wie Hachmeister andeutet, lässt sich nicht endgültig sagen. Ohnehin beschränkt sich der Film auf Andeutungen, lässt Kommentatoren vom rechten wie vom linken politischen Spektrum zu Worte kommen, die dem Rätsel McCarthy jedoch auch nur bedingt nahe kommen. In zahlreichen nachgestellten Szenen versucht Hachmeister zwar die private Seite McCarthys zu zeigen, Position zu beziehen wagt er allerdings nicht. Zu unangenehm wirkt McCarthy, zu engstirnig in seinen Ansichten, dass man ihn sich bloß als missverstandenen Opportunisten vorstellen will. Und das, obwohl er mit vielen seiner Anschuldigungen recht hatte, wie sich mit der Öffnung sowjetischer Archive zeigte. Doch diesem Ansatz geht Hachmeister bedauerlicherweise nicht nach, ebenso wenig der Frage, warum McCarthy in den Jahren nach seinem frühen Tod 1957 zu so einer einseitig beschriebenen Figur wurde. So bleibt „The Real American – Joe McCarthy” abseits der fragwürdigen nachgestellten Szenen zwar ein informativer Dokumentarfilm, der dem bekannten Material über McCarthy allerdings wenig hinzuzufügen weiß.

Michael Meyns

Joe McCarthy. Nach ihm ist eine ganze Ära benannt, das Jahrzehnt etwa von 1950 bis 1960, die Zeit, in der der Kalte Krieg blühte, in der insbesondere in den USA eine gewisse politische Hysterie herrschte, in der Senator McCarthy sich verpflichtet sah, „Kommunisten“ zu jagen.

Er stammte aus dem ländlichen Wisconsin, war ehrgeizig und nicht ohne Intelligenz oder Eloquenz. Er wollte sich in den Vordergrund spielen, Aufmerksamkeit erzeugen. Und es gelang ihm mit seiner populistischen Kommunistenmasche.

Natürlich gab es zu jener Zeit im kapitalistischen Amerika auch Menschen, die soziale Veränderungen wollten, die links dachten, die sogar eine gewisse Sympathie für den Kommunismus aufbrachten.

Aber McCarthy ging viel zu weit. Er bauschte auf, wollte in dem Ausschuss für antiamerikanische Umtriebe glänzen, verdächtigte Hunderte, sah das State Department und die CIA unterwandert, freute sich, wenn Spione entlarvt wurden. Er, von einem superintelligenten jungen Assistenten unterstützt, muss neben seinem ständigen Alkoholkonsum an Paranoia gelitten haben. Längere Zeit hatte er Erfolg, weil er ein gewiefter Taktiker war.

Er vernichtete Existenzen - die berühmten „Hollywood Ten“ (darunter berühmte Schauspieler und andere Künstler) sind nur ein Beispiel von mehreren.

Allmählich wurde dann doch allen klar – auch dem Weißen Haus, dem Außenministerium und dem Pentagon -, dass er immer wieder und in grober Weise übertrieb und eine Wortwahl handhabte, die nur als unseriös bezeichnet werden konnte. Seine Zeit ging zu Ende. Er starb denn auch bald, nicht zuletzt, weil er ein derart übermäßiger Trinker war.

Regisseur Lutz Hachmeister hat in jahrelanger Arbeit den Fall analysiert, viele zum Teil bisher unbekannte Dokumente in seinen Film eingeflochten, ihn mit von John Sessions als McCarthy gut dargestellten Spielszenen ergänzt und letztlich einen ebenso informativen wie anregenden Doku-Spielfilm zustrande gebracht.

Wer historisch und politisch interessiert ist, ist hier goldrichtig.

Thomas Engel