The Revenant – Der Rückkehrer

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Kaum ein Jahr nach seinem mehrfachen Oscar Gewinner „Birdman“ legt Alejandro González Iñárritu schon einen neuen Film vor: „The Revenant – Der Rückkehrer“ mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle eines Trappers im frühen 19. Jahrhunderts ist bildgewaltiges, archaisches, zum teil extrem brutales Abenteuerkino, das in jedem Moment von seiner eigenen Bedeutung überzeugt ist.

Webseite: www.therevenant-derfilm.de

USA 2015
Regie: Alejandro González Iñárritu
Buch: Alejandro González Iñárritu & Mark L. Smith
Kamera: Emmanuel Lubezki
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Tom Hardy, Domhnall Gleeson, Will Poulter, Paul Anderson, Lukas Haas
Länge: 157 Minuten
Verleih: FOX
Kinostart: 6. Januar 2016
 

FILMKRITIK:

South Dakota, circa 1820: Der Fährtenleser Hugh Glass (Leonardo DiCaprio) führt eine Gruppe Trapper, angeführt von Captain Andrew Henry (Domhnall Gleeson), durch die kaum erschlossene Landschaft des amerikanischen Kontinents. Der Drang nach Westen treibt die Einwanderer an, Konflikte mit den Ureinwohnern bleiben nicht aus. Nach einem Angriff auf ihr Camp sind nur noch wenige Mitglieder der Expedition übrig und Henry beschließt, ins befestigte Lager zurückzukehren. Sehr zum Unwillen von John Fitzgerald (Tom Hardy), der besonders Glass und dessen indianischen Ziehsohn mit Missfallen betrachtet.

Bei der Nahrungssuche wird Glass von einem Bären angegriffen und schwer verwundet. Zunächst soll Glass auf einer notdürftigen Bahre mitgeschleppt werden, doch bald wird die Last zu schwer, zumal Glass ohnehin todgeweiht scheint. Fitzgerald bleibt mit Glass und dessen Sohn zurück, eigentlich um ihn in Frieden sterben zu lassen und würdevoll zu begraben. Doch bald hat Fitzgerald genug, tötet den Sohn und lässt Glass zurück. Wie durch ein Wunder überlebt Glass jedoch und beginnt, sich schwer verletzt durch die Wildnis zu schlagen, angetrieben vom Gedanken an Rache.

Von den ersten Momenten wird deutlich, dass Alejandro González Iñárritu Großes im Sinne hat: Ein zerstörtes Indianerdorf sieht man da, trauernde Überlebende, Spuren der Verwüstung, verursacht durch den weißen Mann. Elegische Klänge ertönen, esoterische Botschaften werden verlautet. Ein paar Minuten später metzelt ein Indianerstamm eine Gruppe Trapper nieder, wird endgültig deutlich, dass diese Welt, die Welt der Frontier von Archaik und Brutalität geprägt ist. Immer wieder wird Iñárritu im Lauf der zweieinhalb Stunden von „The Revenant – Der Rückkehrer“ auf dieses klassische Thema des Western zurückkommen, doch so sehr er sich auch um größere Substanz bemüht, der Kern seines Films bleibt Hugh Glass bzw. Leonardo DiCaprio.

Schon oft hat der ehemalige Teeniestar alles geben, hat Verrückte, manische Gestalten, exzessive Charaktere gespielt, doch was er sich und den Zuschauern hier zumutet, ist einerseits eindrucksvoll, in seinem Exzess andererseits fast komisch. Angefangen von der schon legendären (und filmisch absolut eindrucksvollen, wenngleich schwer zu ertragenden) Szene, in der seine Figur minutenlang von einem Bären gemartert wird und mit blutigen Wunden überlebt. Im Folgenden wird DiCaprio durch dichtes Unterholz kriechen, rohen Fisch essen, eine blutige Leber verspeisen, wird er stöhnen, bluten, röcheln, sich Wunden ausbrennen, die Eingeweide aus einem Pferd ziehen und nackt im Leib des toten Tieres schlafen.

Selten hat ein Schauspieler sich mit soviel körperlichem Einsatz in eine Rolle geworfen – doch zu welchem Zweck? Ja, „The Revenant“, gefilmt in langen Einstellungen, in denen der brillante Kameramann Emmanuel Lubezki so unmittelbar an den Figuren ist, wie man es seit den 60er Jahren kaum noch sieht, ist ein beeindruckendes visuelles Monument. Das aber kaum kaschieren kann, wie dünn die eigentliche Geschichte ist, vor allem aber wie aufgesetzt der Versuch wirkt, über die Zerstörung des amerikanischen Kontinents, die Vernichtung von Land, Büffelherden und vor allem den indianischen Ureinwohnern zu erzählen. Am Ende hinterlässt „The Revenant“ den zwiespältigen Eindruck eines technisch brillanten Films, der seine dünne Geschichte unter wenig überzeugenden Bezügen zur Tragik der Geschichte des Wilden Westen zu verbergen sucht.
 
Michael Meyns