The Sound of Cologne

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Techno kommt aus Berlin, so will es die Musikgeschichtsschreibung, doch wie Kristina Schippling in ihrem Dokumentarfilm „Sound of Cologne“ überzeugend (wenn man einen gewissen Lokalpatriotismus abzieht) darlegt, liegen die Wurzeln dieser Musik nicht zuletzt in der Domstadt am Rhein. Ein spannender Ritt durch die Musikgeschichte reich bestückt mit Interviews mit Zeitzeugen und Archivmaterial.

Deutschland 2022
Regie: Kristina Schippling
Buch: Sarah Schygulla
Dokumentarfilm

Länge: 98 Minuten
Verleih: Real Fiction
Kinostart: 30. November 2023

FILMKRITIK:

Alles fing mit Herbert Eimert an. Nicht unbedingt ein Name, mit dem jenseits des Expertentums viele etwas anzufangen wissen, aber ohne ihn wäre die Geschichte der elektronischen Musik wohl anders verlaufen. Der noch im 19. Jahrhundert geborene Komponist war es nämlich, der nach dem Krieg beim Kölner Rundfunksender WDR arbeitete und dort 1951 das weltweit erste Studio für Aufnahmen von elektronischer Musik einrichtete. Ein wenig seltsam mutet es an, alte schwarzweiß Bilder zu sehen, in denen der damalige Mitfünfziger Eimert – natürlich im Anzug – an Knöpfen dreht und die Möglichkeiten des von ihm initiierten Studios erläutert. Bis sich aus diesen Anfängen die exzessive Party-Kultur der Gegenwart entwickelte sollte viel Zeit vergehen, aber mit Eimert und seiner Vision begann es.

Neben dem WDR war die Kölner Hochschule für Musik ein anderer essenzieller Ort, Eimert unterrichtete später dort ebenso wie der legendäre Karlheinz Stockhausen, von denen direkte Verbindungen zu den Musik-Szenen in Düsseldorf und Köln abgehen. Mit der sich gern zum ernstzunehmenden Rivalen gerierenden Kleinstadt nördlich von Köln, beschäftigt sich Kristina Schippling nicht, ihr Fokus liegt auf der Domstadt, wo Ende der 60ger Jahre Jaki Liebezeit und Holger Czukay ihre Band Can gründeten, zu der später das japanische Unikat Domo Suzuki stieß. Ihn als Sänger zu bezeichnen würde zu weit führen, aber sein schräger, unverwechselbare Gesang war es, der Can weltberühmt machte und den Ruf von Köln als Musikstadt festigte.

Sind die inzwischen größtenteils verstorbenen Mitglieder von Can ebenso wie Eimert und Stockhausen nur in Archivaufnahmen zu sehen und hören, führte Schiplling mit zeitgenössischen Musikern, Plattenlabelbetreibern und Djs ausführliche Interviews, leider fast ausschließlich auf Englisch. Was vielleicht einem Schielen auf den internationalen Markt geschuldet ist, aber etwas seltsam anmutet, schließlich geht es hier um eine urdeutsche Kunstrichtung, die international nicht umsonst als Krautrock bezeichnet wird.

So oder so liefern die Interviews mit Künstlern wie Mouse on Mars, Marcus Schmickler oder Niobe spannende Einblicke in die Entwicklung einer Musikrichtung. Ob diese tatsächlich gleich den Sound einer Ganzen Stadt ausmacht, gerade einer Stadt wir Köln, die mit Mundartgruppen wie den Bläck Fööss oder einer unverwüstlichen Band wie BAP auch bundesweit ihre musikalische, kulturelle Vielfalt bewiesen hat, wollen auch viele Interviewpartner nicht unbedingt bestätigen.

Klar ist jedoch nach den kurzweiligen, überaus informativen 93 Minuten von „Sound of Cologne“, dass die Entwicklung der elektronischen Musik ohne die vielfältigen Einflüsse aus Köln ganz anders verlaufen wäre.

 

Michael Meyns