The Witch Next Door

Fünf Wochen führte „The Witch Next Door“ im Mai und Juni die amerikanischen Kino-Charts an. Er war der Nummer-Eins-Hit, aber er hatte natürlich Glück. Denn die meisten Kinos in den USA befanden sich wegen der Corona-Pandemie im Shutdown, die wenigen, die noch offen hatten, hatten kaum Filme, die sie zirkulieren lassen konnte. Somit schlug die große Stunde dieses an das Genre-Kino der 1980er Jahre erinnernde Werk um einen Jungen, der herausfindet, dass die Nachbarin eine Hexe ist.

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The Wretched
USA 2019
Regie + Buch: Brett Pierce, Drew Pierce
Darsteller: John-Paul Howard, Piper Curda, Azie Tesfai, Jamison Jones
Länge: 94 Minuten
Verleih: Koch Films, Vertrieb: 24 Bilder
Kinostart: 13. August 2020

FILMKRITIK:

Ben (John-Paul Howard) kommt in den Sommerferien zu seinem Vater. Er hat sich den Arm gebrochen, als er Mist baute und muss sich nun in einem Ferienjob verdingen, bei dem er die nette Mal (Piper Curda) kennen lernt. Mit den Nachbarn kommt er jedoch nicht so gut zurecht. Er mag den Jungen, dem er das Segeln beibringt, aber die Mutter ist merkwürdig. Als das Kind verschwindet und der Vater es nicht mal gekannt haben will, ist Ben klar, dass die Mutter die Ursache allen Übels ist. Doch wie soll ein Teenager mit einer zweifelhaften Vergangenheit sich gegen diese Urgewalt des Bösen stellen, wenn ihm doch niemand glauben will?

Die Nummer 1 am amerikanischen Box Office zu sein, klingt natürlich gut. In der Realität reichten in den meisten Tagen Einspielergebnisse von 20.000 bis 30.000 Dollar, nur an wenigen Tagen erreichte „The Witch Next Door“ 70.000 oder gar 80.000 Dollar Einspiel. Das reicht für ein Gesamteinspiel von weniger als zwei Millionen Dollar. Angesichts des sicher überschaubaren Budgets mag man da immer noch von einem Erfolg sprechen. Auf jeden Fall ist es ein Coup, mit einem solchen Film fünf Wochen lang die Charts anzuführen. Die Umstände machten es möglich, am Fakt rüttelt das aber nicht.

Nun hofft man wohl, das Phänomen auch in Deutschland zumindest ansatzweise wiederholen zu können, nur dass die Kinos hier nun alle wieder offen haben. Aber: Der Nachschub aus USA fehlt mehrheitlich immer noch, so dass es tatsächlich sein kann, dass Koch Films mit „The Witch Next Door“ einen kleinen Überraschungserfolg feiern kann. Ganz unverdient wäre das auch nicht, denn der Film mag unter normalen Umständen kein Kinostoff sein, in diesem Jahr ist er jedoch als solide Genre-Kost etwas, mit dem sich auch ein jüngeres Publikum in die Lichtspielhäuser lockern lässt. Denn obschon der Film der Pierce-Brüder nichts wirklich Neues zu erzählen hat, schafft er es doch, die bekannten Ingredienzien solide neu zu mixen.

Herausgekommen ist ein durchaus effektiver Horrorfilm, der sehr gelungen mit dem Soundmix und dem ansprechenden Score für Atmosphäre sorgt. Die durchweg unbekannten Schauspieler schlagen sich gut, die Inszenierung ist ordentlich und die dosiert eingesetzten Effekte sind mehrheitlich handgemacht – und damit weit überzeugender, als es CGI-Bilder bei einem günstigen Film wie diesem wären.

„The Witch Next Door“ ist nichts Besonderes, aber Coming-of-Age-Horror mit einem ganz besonderen 80er-Jahre-Feeling, auch wenn die Geschichte im Hier und Jetzt spielt. Die Pierce-Brüder wollten hier den filmischen Einflüssen ihrer Jugend frönen. Das ist ihnen gelungen, all derweil sie einen geradlinigen, spannenden und atmosphärischen Gruselstreifen produziert haben.

Peter Osteried