The Woman King

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Wuchtiges Historienkino mit spannenden realen Bezügen: In „The Woman King“ nimmt sich Hollywood der sogenannten Agojie-Einheit an, einer rein weiblichen Kampftruppe, die das einstige westafrikanische Königreich Dahomey verteidigte. Während einer Reise wurde US-Schauspielerin Maria Bello auf dieses Elitegarde aufmerksam und kämpfte als Ideengeberin und Produzentin darum, deren Geschichte auf die große Leinwand zu hieven. Nach anfänglichen Rückschlägen – unter anderem hielten die Studios einen Film mit einem fast komplett schwarzen Cast für nicht erfolgsversprechend genug – erscheint nun ein Actiondrama, das vor allem schauspielerisch und inszenatorisch überzeugt. Dramaturgisch hätte man sich hingegen ein wenig stärker von Konventionen verabschieden können.

Webseite: https://www.sonypictures.de/filme/woman-king

Regisseurin: Gina Prince-Bythewood
Drehbuch: Dana Stevens
Darsteller: Viola Davis, Thuso Mbedu, Lashana Lynch, Sheila Atim, John Boyega, Hero Fiennes Tiffin, Jimmy Odukoya, Masali Baduza u. a.
Länge: 135 Minuten

FSK: ab 12 Jahren
Verleih/Vertrieb: Sony Pictures Germany
Kinostart: 06.10.2022

FILMKRITIK:

Wir schreiben das Jahr 1823. Das Königreich Dahomey sieht sich der immer stärkeren Unterdrückung durch das Oyo-Imperium ausgesetzt, an das König Ghezo (John Boyega), eine historisch belegte Figur, Tribute zahlen muss. Inzwischen ist der junge Herrscher der Repression überdrüssig und weist seine Agojie-Kämpferinnen an, sich auf das Schlimmste vorzubereiten. Generalin Nanisca (Viola Davis) beginnt daraufhin, neue Frauen zu rekrutieren und diese durch eine harte Ausbildung zu schicken. Unter die Anwärterinnen mischt sich auch Nawi (Thuso Mbedu), die sich bislang erfolgreich gegen die Versuche ihrer Eltern gewehrt hat, sie zu verheiraten. Nicht nur Lehrmeisterin Izogie (Lashana Lynch) wird auf die willensstarke Rebellin aufmerksam. Auch Nanisca spürt, dass hier eine interessante Persönlichkeit in ihre Reihen gelangt ist. Eine besondere Verbindung zwischen den beiden kristallisiert sich erst nach und nach heraus.

Zunächst einmal ist es toll, dass Maria Bello und ihr Kreativteam bei ihrem aufregenden Stoff einen langen Atem bewiesen. Einen großen Hollywood-Film, der die Agojie-Einheit ins Zentrum stellt, hat es bislang noch nicht gegeben. Im Marvel-Blockbuster „Black Panther“ taucht allerdings die sogenannte Dora Milaje, die Leibgarde des Titelhelden, auf, die ebenfalls nur aus Frauen besteht und von der real existierenden Dahomey-Truppe inspiriert wurde. Mit dem knallbunten, fantastisch geprägten Superheldengenre hat „The Woman King“ freilich nichts gemein. Regisseurin Gina Prince-Bythewood („Die Bienenhüterin“) strebt vielmehr eine erdig-raue Authentizität an, die mit einer Prise mythischer Überhöhung garniert wird.

Als mysteriöse und schlagkräftige Kriegerinnen inszeniert der Film die Agojie-Frauen gleich zu Beginn, wenn sie sich, angeführt von Nanisca, an ein feindliches Lager heranpirschen und langsam aus der Dunkelheit herausschälen. Der erste Kampf zeigt zudem, dass Prince-Bythewood Action gekonnt zu arrangieren weiß. Nie verliert man im Getümmel den Überblick, was längst keine Selbstverständlichkeit ist. Im Gegenteil: Viel zu oft glauben Filmemacher, es reiche aus, hektisch mit der Kamera zu wackeln, die Figuren aufeinander losstürmen zu lassen und dem Ganzen hinterher mit schnellen Schnitten noch mehr Dynamik zu geben. „The Woman King“ verkommt erfreulicherweise nicht zu einer vorbeirauschenden Bilderflut, sondern zieht den Zuschauer mit seiner temporeichen, aber kein bisschen hyperaktiven Gestaltung der Fights in das Geschehen hinein. Das gilt sowohl für den Einstieg als auch die weiteren Schlachtsequenzen.

Sind es im Historienkino fast immer Männer, die die entscheidenden Kämpfe austragen, kommen hier endlich einmal Frauen zu ihrem Recht. Ungewohnt martialisch ist übrigens auch die Wortwahl der Agojie-Soldatinnen. Etwas ungelenk präsentiert sich das Drehbuch von Dana Stevens („Safe Haven – Wie ein Licht in der Nacht“) allerdings, wenn es in einigen Dialogen die Ehre und die Selbstbehauptung überexplizit und platt beschwört. Die größten Schwächen liegen ohnehin auf erzählerischer Ebene. Gebraucht hätte es weder einen zwar behutsamen, aber aufgepfropft wirkenden Liebesstrang noch oberflächliche Palastintrigen. Statt bestens vertraute Hollywood-Formeln zu bemühen, hätten Prince-Bythewood und Co die Strukturen und die Rituale innerhalb des Dahomey-Systems noch etwas genauer in den Fokus rücken können. Ab und an wirft der Film einen Blick hinter die Kulissen, zeigt uns etwa, dass König Ghezo, wie viele andere westafrikanische Herrscher auch, in den kolonialen Sklavenhandel involviert ist. Schnell übernehmen jedoch oft der Plot und sein Vorwärtsdrang wieder das Kommando.

Dass die Hauptfiguren zum Leben erwachen, den Betrachter mitfiebern lassen, liegt vor allem an den wuchtig aufspielenden Darstellerinnen. Von Viola Davis durfte man eine mitreißende, Autorität und Durchsetzungsfähigkeit glaubhaft transportierende Performance eigentlich schon erwarten. So oft, wie die Oscar-Preisträgerin bereits starke Frauenrollen mit Verve verkörpert hat. Auch Naniscas verletzlicher Seite, die zum emotionalen Zentrum von „The Woman King“ wird, verleiht sie überzeugend Ausdruck. Neben ihr brilliert eine temperamentvolle, aber ebenso leise Töne beherrschende Thuso Mbedu, der 2021 in der Miniserie „The Underground Railroad“ eine famose Leistung als Sklavereiflüchtling gelang. Den vielleicht einprägsamsten Eindruck hinterlässt Lashana Lynch, die als Nawis Freundin und Mentorin Widerstandsfähigkeit, Strenge und Herzlichkeit auf absolut einnehmende Weise kombiniert. Izogies Lachen hat wärmende Qualität, und ihr Kampfgeist auf dem Schlachtfeld ist durchaus einschüchternd. Die umsichtige Inszenierung, die guten Schauspieldarbietungen und ein akribisches, aufwendiges Szenenbild heben den Film klar über das Mittelmaß hinaus. Mit einem in einigen Phasen weniger konventionellen Drehbuch hätte man dem Stoff allerdings noch etwas mehr Ausdruckskraft verleihen können.

 

Christopher Diekhaus