Toast

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In Deutschland ist die Biografie des in England beliebten Restaurantkritikers und Kochbuchautors Nigel Slater unter dem Titel „Halbe Portion. Wie ich meine Leidenschaft für das Kochen entdeckte“ erschienen. Lee Hall, Drehbuchautor von „Billy Elliot“, hat die teilweise tragische Kindheit des jungen TV-Kochs nun für die Leinwand adaptiert, verfilmt hat den nostalgisch auf 60/70er Jahre getrimmten Spielfilm Fernsehserien-Regisseurin SJ Clarkson. Die Figuren darin kommen einem manchmal vor wie einer Geschichte von „Wallace and Gromit“ entsprungen.

Webseite: www.mfa-film.de

Großbritannien 2010
Regie: SJ Clarkson
Darsteller: Helena Bonham Carter, Oscar Kennedy, Freddie Highmore, Viktoria Hamilton, Nigel Slater
96 Minuten
Verleih: MFA+Film Distribution
Start am 11.08.2011

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Kochen bei den Slaters ist im Grunde nur eine Frage der richtigen Wassertemperatur. Aufgrund ihrer Allergien meidet Nigels Mutter (Victoria Hamilton) sämtliche Frischeprodukte, schwört stattdessen auf aufgewärmte Menüs aus der Konservendose (den Mikrowellenherd gab es noch nicht). Ein Toastbrot ist da gewissermaßen noch der höchste Frischegenuss, die Lust auf selbst zubereitete Speisen bei Nigel (Oscar Kennedy, später Freddie Highmore) daher so groß, dass er nachts heimlich Kochbücher unter der Bettdecke liest. Das wiederum führt zu einer herrlichen Szene, als ihn der oft mürrische und missgelaunte Vater (Ken Scott) beim Hantieren unter der selbigen ertappt, dabei aber an etwas ganz anderes denkt und sogleich empört reagiert. Man ist ja schließlich in den 60er Jahren.

Als die Mutter stirbt, zieht mit der Putzfrau und Haushälterin Mrs. Potter (Helena Bonham Carter) eine patente Köchin bei den Slaters ein. Mit ihrer Kochkunst wickelt sie bald schon Nigels Vater um den Rührlöffel. Im Kampf um die Aufmerksamkeit zu seinem ihm gegenüber gefühlskalten und abweisenden Vater ist Nigel nun angestachelt und stürzt sich in Kochduelle mit seiner neuen Stiefmutter.

Im ersten Teil dieser tragischen, immer wieder aber auch warmherzigen Kindheitsgeschichte fühlt man sich von der Ausstattung und teils auch den komisch wirkenden Dialogen wie in eine Episode der Knetfiguren Wallace und Gromit versetzt. Wobei es hier vor allem die Erwachsenen sind, die die Rolle von Karikaturen einnehmen. Mit viel Liebe zum Detail sind die Kulissen und Szenenbilder ausgestattet, vorwiegend spielt der Film im Zuhause der Slaters oder im örtlichen Krämerladen, wo Nigel regelmäßig das Wasser im Munde zusammenläuft, letztlich aber doch nur Konservendose nach Hause geschleppt werden. Als Nigel einmal Spaghetti-Bolognese serviert, wirkt das wie der Gipfel eines Glaubenskrieges. Von Kochkunst ist man da noch weit entfernt.

„Toast“ ist aber primär kein Film über einen Starkoch und sein Wirken, sondern nur ein Film, der die Umstände aufzeigt, wie dieser Junge aus gutbürgerlichem Hause seine Berufung fand. Die kleine Episode mit dem Gärtner der Slaters, der Nigel nicht nur zum Naschen von jungem Gemüse verführt, sondern ihm auch den ersten Kuss schmackhaft macht, ist da aus autobiografischer Sicht durchaus wichtig. Dass darauf verzichtet wird, die zahlreichen im Film aufgetischten Gerichte in ihrer Entstehung zu zeigen ist insofern kein Manko, dennoch aber von symbolischem Gehalt. Noch wird ja schließlich nicht Gourmetküche serviert, sondern weiterhin nur einfache britische Hausmannskost.

Trotzdem liegt aber genau darin der Hase im Pfeffer. Das Rezept, die eigentlich traurige Coming-of-Age-Geschichte mit komödiantischen Szenen zu würzen, funktioniert vor allem im ersten Teil noch gut. Auf die Gesamtlaufzeit des ursprünglich für die BBC gedrehten Films verteilt, wirken die Versuche, dem Ernst der Story heitere Momente zuzufügen, nur noch aufgewärmt und das Spiel der Darsteller in diesen Fällen wie abgerufene Routine. Schade ist sicher auch, dass Freddie Highmore („Charlie und die Schokoladenfabrik“) als älterer Nigel erst sehr spät seinen Auftritt bekommt und man kaum mehr Gelegenheit hat, sich an ihn zu gewöhnen. Helena Bonham Carter als selbstbewusst ihr Unterschicht- gegen ein Mittelstandsleben eintauschende Mrs. Potter hingegen gefällt mit ihrem Wolverhamptoner-Provinzslang. Appetitanregend ist „Toast“ durchaus (vor allem hinsichtlich seiner Ausstattung und Bebilderung), gänzlich sättigend jedoch nicht.

Thomas Volkmann

Nigel Slater ist in Großbritannien ein Star: der bekannteste Restauranttester, ein Spitzenkoch, eine TV-Größe. Mag sein, dass er hierzulande nicht so sehr bekannt ist. Nichtsdestoweniger wurde über seine Kindheit und Jugend dieser Film geschaffen.

Nigel wird als Kind von seiner Mutter, die lediglich Toast „kochen“ konnte, heiß und innig geliebt. Doch die Frau ist schwer krank, es geht dem Ende zu. Eine besonders rührende Szene: Weihnachten muss am Ende um einen Monat vorverlegt werden, weil die Mutter den 25. Dezember nicht mehr überleben wird.

Das Verhältnis zum Vater allerdings könnte schlechter nicht sein. Der Mann ist egozentrisch, überheblich, streng, bieder-eingeschränkt, erziehungsunfähig.

Mrs. Potter kommt ins Haus. Sie arbeitet als Putzfrau. Aber sie kocht auch vorzüglich. Nigel und Mrs. Potter werden so etwas wie Konkurrenten, denn das Interesse des Buben für die Back- und Kochkunst wird immer stärker.

Leiden können sich beiden allerdings nicht. Denn Nigels Andenken an seine Mutter und deren Liebe ist unvergesslich. Mrs. Potter wird nämlich noch dazu die Geliebte des Vaters und dann dessen Frau. Jetzt trumpft sie mit ihren Kochkünsten immer mehr auf. Nigel unterliegt, wird aber in dieser Sparte keineswegs aufgeben.

Positive Gefühle zwischen Stiefmutter und Stiefsohn sind leider nicht möglich. Das ändert sich auch nicht, als der Vater stirbt. Nigel verlässt schließlich das Elternhaus, sieht „Mrs. Slater“ nie wieder - und wird (siehe oben) eine Berühmtheit.

Den Schluss hätte man gerne mehr ausgebaut gesehen; der Film wird leider abrupt abgebrochen.

Wer jedoch in unserem Land Interesse an Nigel Slater aufbringt, sieht einen gepflegten Streifen, nahtlos eine stilistisch sehr zeitgemäße und getreue Wiedergabe der Epoche, den überzeugend auftretenden Kinderdarsteller Oscar Kennedy, einen rührenden Einblick in eine Kinderseele . . .

. . . und erwachsene Darsteller, unter ihnen Helena Bonham Carter als Mrs. Potter oder Victoria Hamilton als Nigels Mutter, die glänzend agieren. Was auch für Ken Stott (Vater), Freddie Highmore (Nigel als Teenager) sowie Matthew McNulty (Nigels Freund Josh) gilt.

Wie aus einem Buben mit dramatisch-tragischer Vergangenheit ein berühmter Kochstar wird.

Thomas Engel