Trauzeugen

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Strenggenommen sind sie in derselben Branche tätig, in der sich alles um Beziehungen, Bedürfnisse und Gefühle dreht. Doch während Scheidungsanwalt Jakob Paare vor Gericht auseinanderbringt, versucht Paartherapeutin Marie ihre Liebe zu retten. Ausgerechnet diese Beiden müssen fortan zusammenarbeiten, um die Hochzeit ihrer Freunde zu organisieren. Die inhaltlich wenig überraschende romantische Komödie „Trauzeugen“ enttäuscht mit konstruierten Zufällen, einer unausgereiften Figurenzeichnung und allerlei Klischees. Dagegen kommen am Ende auch die zwei charismatischen, spielstarken Hauptdarsteller nicht an.

Deutschland 2023
Regie: Finn Christoph Stroeks, Lena May Graf
Buch: Finn Christoph Stroeks
Darsteller: Edin Hasanovic, Almila Bagriacik, Cristina do Rego, László Branko Breiding, Iris Berben, Kurt Krömer

Länge: 99 Minuten
Verleih: Paramount Pictures
Kinostart: 14. September 2023

FILMKRITIK:

Sie arbeiten an jeweils entgegengesetzten Enden derselben beruflichen Branche: Scheidungsanwalt Jakob (Edin Hasanovic) und Paartherapeutin Marie (Almila Bagriacik). Der Unterschied: Er beendet Beziehungen, sie hingegen arbeitet mit ihren Klienten daran, die Partnerschaft zu erhalten. Ausgerechnet Jakob und Marie sollen als Trauzeugen die Hochzeit ihrer besten Freunde Ruth (Cristina do Rego) und Tobi (László Branko Breiding) organisieren. Oder besser, retten. Denn aufgrund aktueller Umstände (Ruth ist hochschwanger und Tobi hat sich das Bein gebrochen) steht sie kurz vor der Absage. Schnell wird klar, dass hinter so einer „Rettungsaktion“ und Hochzeitsplanung viel Zeit, Aufwand und Teamwork stecken. Kann das funktionieren, gerade wenn die Hochzeitsplaner wider Willen zwei solch gegensätzliche Sturköpfe sind?

Regisseur Finn Christoph Stroeks und seine Kollegin Lena May Graf machen es dem Zuschauer mit ihren Hauptfiguren alles andere als leicht. Zwar treten die Akteure Edin Hasanovic und Almila Bagriacik überzeugend und energisch auf. Sie spielen hingebungsvoll und setzen ganz auf ihr – fraglos vorhandenes – Charisma. Allerdings kämpfen sie gegen ein ärgerliches, wenig ausgeklügeltes Drehbuch an, das aus ihren Figuren stereotype und schwer zugängliche Protagonisten macht. Vor allem aus dem erfolgreichen und Karriere-geilen Jung-Anwalt Jakob.

Bei ihm handelt es sich um einen arroganten und verbissen auftretenden Egozentriker, dem die Karriere und der SUV über alles gehen. Der selbstsüchtige Workaholic bringt mit seinen unüberlegten Aktionen eins ums andere Mal die Hochzeitsvorbereitungen in Stocken. Unweigerlich fragt man sich: Wieso lassen ihm Marie und nicht zuletzt das Brautpaar dieses rücksichtslose Fehlverhalten durchgehen?

Eine erwähnenswerte Läuterung oder gar Wandlung gestehen Stroeks und Graf ihm auch nicht zu. Marie ist zwar das komplette Gegenteil von ihm: Sie glaubt an das Gute und die echte Liebe, steht auf Romantik und hat einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Dennoch fällt es schwer, selbst für sie Mitgefühl und Sympathien aufzubringen. Dafür ist sie zu naiv, redselig und besitzt insgeheim eine ganz schön hochmütige, störrische Art. Anstrengend ist zudem der Dauer-Therapeutinnen-Modus, aus dem sie nie herauszukommen scheint. Sie psychologisiert unentwegt und blickt auf das Leben und Treiben um sich herum durch die Therapeuten-Brille. Extrem unglaubwürdig ist, dass sie tatsächlich und ganz plötzlich Gefühle für ihren verhassten Trauzeugen-Kollegen entwickelt. Hätte das Drehbuch die Hassliebe zwischen den Beiden weiter aufrechterhalten – es wäre zumindest realistischer und glaubhafter gewesen. Stattdessen vertrauen die Macher auf das durchsichtige, programmatische Schema-F romantischer Komödien mit erwartbarem Handlungsverlauf und Wohlfühl-Happy-End.

Dem Film schadet darüber hinaus der infantil anmutende, einfallslose Slapstick-Humor (Stichwort: Ehering), der allzu oft deplatziert erscheint. Hinzu kommen konstruierte Wendungen sowie umständlich in den Haupt-Plot eingebaute Nebenhandlungen. Darunter die Verlagerung der Feierlocation vom mondänen Festsaal in Frankfurt am Main auf einen Bauernhof in der brandenburgischen Provinz. Solche Einschübe und Einfälle, die schließlich weite Teile der Story einnehmen und den Film dramaturgisch in völlig neue Bahnen lenken, wirken bemüht. Und sie dienen ganz offensichtlich als Vorwand, um blasse und leidlich komische Nebencharaktere einzuführen. Zum Beispiel Kurz Krömer als dauergenervten, miesepetrigen Landwirt.

Andere Sub-Plots geraten später völlig in Vergessenheit und werden kaum noch beachtet. Durch diese unachtsame Erzählstruktur wirkt vieles in diesem Film, dem echte, authentische Momente und wahrhaftig berührende Szenen fehlen, folglich nicht zu Ende gedacht.

 

Björn Schneider