Typhoon Club

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Ein starker Taifun zieht über eine Kleinstadt und trifft mit voller Wucht auch die örtliche Oberschule. Es schüttet wie aus Eimern und trotz Warnungen bleiben die Schüler im Gebäude. Was dann folgt, ist mit Highschool- und Teen-Klassikern wie „Ferris macht blau“ und „Breakfast Club“ nicht zu vergleichen. Denn allmählich entwickelt sich die Schule zu einem regelfreien Ort ohne Gesetze und Erwachsene. Die Jugendlichen schaffen sich ihr eigenes Universum, in dem es fast zur Katastrophe kommt. "Typhoon Club" erzählt davon in flirrenden, aufregenden Bildern. Ein weithin unbekannter Klassiker, dynamisch inszeniert und provokativ.

Japan 1985
Regie: Shinji Sōmai
Buch: Yuji Kato
Darsteller: Yuichi Mikami, Youki Kudoh, Tomokazu Miura, Shingo Tsurumi

Länge: 115 Minuten
Verleih: Rapid Eye Movies
Kinostart: 23. Mai 2024

FILMKRITIK:

In Shinji Sōmais japanischem Drama "Typhoon Club" erstreckt sich die Story über einen Zeitraum von fünf Tagen in jenem Vorort von Tokio. Der Handlungsort ist eine kleine Vorstadtschule. Nachdem ein Sturm die Region heimgesucht hat, finden sich fünf Schüler über Nacht in der Turnhalle des Schulgebäudes wieder. Die Zeit, die sie gemeinsam verbringen, entwickelt sich für die Jugendlichen zu einem unerwarteten Abenteuer, wodurch die Gruppe noch enger zusammenwächst. In dieser Zeit machen sie gleichzeitig einen Schritt in Richtung Erwachsenwerden und Selbstständigkeit. An anderen Orten der Schule passieren allerdings verstörende Dinge.

Fast 40 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung findet „Typhoon Club“ als 4K-restaurierte Fassung nun doch noch seinen Weg in einige ausgewählte deutsche Kinos. Man folgt den Geschehnissen auf dem Gelände und innerhalb der (oft dunklen) Schulräume, die den Schülerinnen, Schülern und einigem Lehrpersonal, darunter Mathelehrer Mr. Umemiya (brillant: Tomokazu Miura), als sicherer Zufluchtsort dienen. Regisseur Shinji Sōmai beobachtet die Heranwachsenden beim Aufziehen des Taifuns, während dieser in all seiner Urgewalt wütet und schließlich beim Abklingen des Naturereignisses.

Gewissermaßen dient der tropische Wirbelsturm als Metapher und Entsprechung für die allmählich außer Kontrolle geratenen Gefühle und Verhaltensweisen der Schüler. Dass die emotionalen Hochs und Tiefs der Pubertät und der Druck aufgrund der bald anstehenden Abschlussprüfungen die Schüler unberechenbar machen, merkt Mr. Umemiya schnell. Und zwar schon ganz am Anfang, als die Jugendlichen den Befehl zur Evakuierung nicht befolgen – und sich stattdessen an Ort und Stelle verbarrikadieren.

Je heftiger der Sturm draußen wütet, desto mehr gerät die Situation im Inneren außer Kontrolle. Es kommt fast zu einer Vergewaltigung, es gibt Verfolgungsjagden, einen Mordversuch, eine ausufernde Klassenschlägerei. Um nur ein paar der Ereignisse zu nennen. Irgendwann regieren scheinbar Unordnung und Anarchie und Sōmais wilde, rasante Kamerafahrten tragen diesem tumultartigen Chaos auf visueller Ebene Rechnung. Einen echten Sympathieträger gibt es nie. Nicht einmal Mr. Umemiya kommt einem nahe. Sein Privatleben offenbart einen wankelmütigen, instabilen Charakter, der es mit der Ehrlichkeit nicht immer so genau zu nehmen scheint.

Dieses Fehlen einer echten sympathischen (Haupt-)Figur und die Tatsache, dass weite Teile des Films in schlecht beleuchteten Innenräumen bzw. bei Dämmerlicht, im Halbdunkel oder nachts gefilmt sind, verstärken das unbehagliche, unheilvolle Gefühl. Doch Sōmais Klassiker ist nicht nur destruktiv und pessimistisch. „Typhoon Club“ lässt gleichsam Raum für Hoffnung, Optimismus und emotionale Szenen intimer Zweisamkeit. Etwa, wenn zwei junge lesbische Heranwachsende sich ihrer Gefühle füreinander bewusst werden. Oder einige andere Schüler ernst, gewissenhaft und tiefgründig die großen Fragen des Lebens (Was ist wirklich wichtig im Leben? Was kommt nach dem Tod?) diskutieren.

 

Björn Schneider