Umberto Eco – Eine Bibliothek der Welt

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Lange bevor er als Autor von Bestsellern weltberühmt wurde, war Umberto Eco ein renommierter Semiotiker, der sich im Laufe der Zeit eine gigantische Bibliothek aufbaute. Diese steht im Mittelpunkt von Davide Ferrarios „Umberto Eco – Eine Bibliothek der Welt“. Ein Dokumentarfilm, der gleichermaßen Würdigung von Ecos Schaffen und Ode an das Buch ist.

Umberto Eco - La Biblioteca del Mondo
Italien 2022
Regie: Davide Ferrario
Dokumentarfilm

Länge: 80 Minuten
Verleih: mindjazz
Kinostart: 21. März 2024

FILMKRITIK:

„Bibliotheken sind das Gedächtnis der Menschheit“ heißt es an einer Stelle von „Umberto Eco – Eine Bibliothek der Welt“, einem spielerischen Dokumentarfilm, der ganz aus Liebe zum Buch entstanden scheint. Für eine Kunstinstallation arbeitete Davide Ferrario mit Umberto Eco zusammen, kurz vor dessen Tod im Jahre 2016. So entstand ein Kontakt zur Familie, der schließlich zu diesem Film führte.

Ursprünglich bestand die Absicht darin, die riesige Bibliothek Umberto Ecos zu dokumentieren, die dieser zusammen mit seiner Frau Renata in Mailand aufgebaut hatte. Gut 30.000 zeitgenössische Bücher und circa 1200 Antiquitäten umfasste die Bibliothek, die Ecos breite Interessen spiegelte: Abteilungen für Esoterisches oder die Seele der Tiere gibt es, Comics finden ebenso ihren Platz wie anerkannte Werke der Weltliteratur.

Ob Eco selbst solche Werke verfasste, darüber streiten sich die Kritiker seit Anfang der 80er Jahre, als aus dem vor allem in Fachkreisen bekannten Semiotiker mit erscheinen seines ersten Romans „Der Name der Rose“ ein weltweit bekannter Beststellerautor wurde. Gerade der gigantische Erfolg sorgte in manchen Kreisen für Skepsis, besonders in Deutschland kennt man das: Etwas, das so erfolgreich ist, kann nicht wirklich gut sein, oder?

Wie nun Davide Ferrario in seiner Dokumentation zeigt, war Eco ein Mann, der keine Vorurteile gegen die scheinbaren Niederungen der Kultur hatte, der sich für Pop, Comics oder Fernsehserien ebenso interessierte wie für mittelalterliche Magier, Verschwörungstheorien, für mystisches ebenso wie für hochtrabendes. Eine „Biblioteca semiologica, curiosa, lunatica, magica et pneumatica“ nennt er seine Sammlung, die inzwischen an den italienischen Staat übergeben wurde, größtenteils in Bologna, wo Eco an der Universität unterrichtete.

Spätestens nach dem Erfolg von „Der Name der Rose“, hatte Eco die Freiheit, sich zu allem und jedem zu äußern, veröffentlichte Romane, kulturkritische Schriften, Bände zu mythischen Ländern oder zur Schönheit.

Wichtigstes Arbeitsmittel blieb dabei trotz aller technologischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte die Bibliothek, die physischen Bücher. Denn in diesen konnte er im Gegensatz zu e-books, Unterstreichungen vornehmen, Anmerkungen machen, diese lebten, verschmutzen auch. Schon früh warnte Eco vor dem Irrglauben, dass das Internet ein Ersatz für die Bibliothek sein könnte. Zwar suggeriert das Internet die ständige Verfügbarkeit von einer unermesslichen Menge an Daten und Texten, Bildern und Büchern, doch gerade die überwältigende Menge reduziert den Nutzen enorm. Denn wie soll man sich in diesem Wust an Informationen zurechtfinden, wie eine gemeinsame Basis des faktischen finden? Lange bevor moderne Verschwörungstheoretiker von QAnon bis zu den Querdenkern begannen, die Demokratie zu gefährden, spürte Eco welche Gefahr im Entstehen war. So ist „Umberto Eco – Eine Bibliothek der Welt“ nicht nur ein Porträt eines umtriebigen Denkers, sondern auch eine Hommage an das physische Buch, an die Freude, bei der Lektüre eines Werkes der Hoch- oder Trivialliteratur die Zeit zu vergessen, das Handy auszuschalten und einmal nicht zu erreichen zu sein. Denn wie sagte Eco „Wer nicht liest, wird mit 70 Jahren nur ein einziges Leben gelebt haben: Sein eigenes. Wer liest, wird 5000 Jahre gelebt haben: Er war dabei, als Kain Abel tötete, als Renzo Lucia heiratete, als Leopardi die Unendlichkeit bewunderte. Denn Lesen ist eine Unsterblichkeit nach hinten.“

 

Michael Meyns