Una Noche – Eine Nacht in Havanna

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Impressionistisches Porträt Havannas und dramatische Fluchtgeschichte. Diese beiden Aspekte versucht Lucy Mulloy in ihrem Debütfilm „Una noche – Eine Nacht in Havanna“ unter einen Hut zu bringen und überzeugt vor allem bei ersterem. Flirrende Bilder, mitreißende Musik, subtile Darstellung der wechselnden Lebensverhältnisse zeigen ein Kuba, wie man es nur selten gesehen hat.

Webseite: www.kairosfilm.de

Kuba/ USA 2012
Regie, Buch: Luca Mulloy
Darsteller: Dariel Arrechaga, Anailín de la Rúa de la Torre, Javier Núnez Florián, María Adelaida Méndez Bonet
Länge: 90 Minuten
Spanische Originalfassung mit deutschen Untertiteln
Verleih: Kairos Filmverleih
Kinostart: 12. Dezember 2013

PREISE:

Ausgezeichnet mit dem Publikumspreis beim Filmfestival Havanna 2012

PRESSESTIMMEN:

"Ein in drei Teilen strukturiertes und teilweise aus dem Off kommentiertes Drama, das die oft erzählte Geschichte von der Perspektivlosigkeit junger Kubaner dramaturgisch geschickt und visuell erstaunlich dicht erzählt."
film-dienst

FILMKRITIK:

Nach Jahrzehnten der selbstgewählten und erzwungenen Isolation beginnt sich Kuba langsam zu öffnen, werden die Beziehungen zur westlichen Welt intensiver, die künstlerische Freiheit größer. Dass ermöglicht es zunehmend, Filme auf Kuba zu drehen, die die gravierenden sozialen und wirtschaftlichen Probleme thematisieren und nicht zuletzt den Wunsch vieler Kubaner, ihre Heimat zu verlassen und das nur 90 Meilen weit weg liegende und doch so Ferne Amerika zu erreichen.

Genau das planen Elio (Javier Núnez Florián) und sein Freund Raul (Dariel Arrechaga), doch viel weiter als mit Brettern und Schläuchen ein Floß zu bauen, sich wenn möglich einen Motor zu besorgen, reicht ihr Plan nicht. Irgendwelche Verwandte soll es in Miami geben, irgendwie wird das Leben in Amerika schon besser sein als in Havanna, wo man nur zwei Sachen machen kann, wie es Raul einmal formuliert: „Schwitzen und vögeln.“

Und von Schweiß und Sex hat Lucy Mulloys Film reichlich zu bieten: Die karibische Hitze, die die Farben der langsam verfallenden Altstadt Havannas zum Leuchten bringt, lässt die leicht bekleideten Körper ebenso transpirieren, wie der ständige hetero- und homosexuelle Sex, der ständig in den Köpfen der Menschen herumschwirrt. So zumindest suggeriert es Mulloy, eine Engländerin, die in New York, London und eben auch Havanna lebt und Berichten von Einheimischen zu Folge, die Essenz Kubas kongenial eingefangen hat.

Kleine Momentaufnahmen des täglichen Lebens streut sie immer wieder ein, Bilder von Musik und Tanz, aber auch vom ständigen Kampf ums Überleben: Raul etwa jobbt in der Hotelküche eines Luxushotels, wo er Gerichte für westliche Touristen zubereitet, während zu Hause seine Mutter mit HIV infiziert ist, aber immer wieder auf dem Strich ein Paar Dollar verdient. Raul selbst lässt sich einmal von einer älteren Schneiderin verführen, der er dafür eine Digitalkamera abluchst, die er wiederum für Medikamente umtauscht.

Die Geschäfte sind zwar leer, doch wenn man weiß wo, kann man alles bekommen, erzählt die dritte Hauptfigur Lila (Anailín de la Rúa de la Torre) im omnipräsenten Voice Over, dass die lose, impressionistische Erzählung zusammenzuhalten sucht. Ein nur bedingt gelungenes Stilmittel, zumal Lila teilweise ihre subjektiven Empfindungen wiederzugeben scheint, das Verhältnis zu ihrem Zwillingsbruder Elio reflektiert, zum Teil eine objektive, allwissende Position einnimmt, die von Ereignissen berichtet, die sie gar nicht selbst erlebt hat.

Ohnehin überzeugt Malloys Film weniger durch eine runde Geschichte oder ausgearbeitete Charaktere, als durch seine Atmosphäre. Zwar spielen die drei Hauptdarsteller, die allesamt Laien sind, von unbeschwerter Unbekümmertheit, ihre Figuren und deren Motivationen bleiben aber oft fragmentarisch und unverständlich. Doch im Rausch der Bilder, den Malloy und ihre beiden Kameramänner entfalten, spielt die Geschichte ohnehin nur eine untergeordnete Rolle. Sei es die Geschlechterverhältnisse, Repressionen durch die Polizei oder eben der ständige Gedanke an ein besseres Leben: Malloy evoziert die kubanische Gegenwart in impressionistischen Fragmenten, die sich gängigen Kuba-Klischees entziehen.

Michael Meyns